Wir alle fahren in Zukunft nicht mehr selbst, unser E-Auto navigiert uns unfallfrei und umweltfreundlich durch die Straßen. Wird es wirklich so passieren? Kurt Steiner, Leiter des Instituts Fahrzeugtechnik / Automotive Engineering, setzt sich mit dieser Frage auseinander.
Eine Zukunftsvision, die noch Starthilfe braucht
Kurt Steiner, 02. März 2017Die Zukunft des Automobils ist sicherlich selbstfahrend und alternativ angetrieben Die Frage ist allerdings wie und wann ist das Realität? Die Mobilität von morgen und damit die gesamte Fahrzeugindustrie steht vor der größten Zäsur, die es in den letzten 50 Jahren gegeben hat. Nach den negativen Schlagzeilen zum Thema Dieselgate sind Begriffe wie Schadstoffemission und Abschaltsoftware bei Verbrennungsmotoren omnipräsent und fordern einen technologischen Umbruch.
Nicht nur neue Fahrzeughersteller wie Tesla drängen auf den Markt, die etablierten Unternehmen investieren Milliarden Euro in die Entwicklung alternativer Antriebe, die Digitalisierung und das automatisierte Fahren.
Zurzeit liegt der Anteil an verkauften E-Autos in Österreich bei gerade einmal 1,2 Prozent aller Verkäufe. Auch in Deutschland sollte die Kaufprämie für Elektroautos den Durchbruch für die E-Mobilität bringen. Die Bilanz nach einem halben Jahr ist allerdings ernüchternd – knapp über 9.000 Anträge auf einen Zuschuss zum Kauf eines E-Autos oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs wurden in der zweiten Jahreshälfte 2016 gestellt. Im Vergleich gab es für die sogenannte Abwrackprämie beim Ankauf eines Neuwagen im Jahr 2009 allein in den ersten Wochen 150.000 Anträge von Autokäuferinnen und -käufern auf Förderung. [Quelle: Deutsches Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle]
Norwegen zeigt in Europa vor, was mit der Kundenakzeptanz von alternativ angetriebenen Fahrzeugen möglich ist. Mit knapp 30.000 Anmeldungen an rein batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen im Jahr 2015 wurde durch ein Anreizsystem die Zahl auf über 41.250 Neufahrzeuge im Jahr 2016 um mehr als ein Drittel gesteigert. [Quelle: Center of Automotive Management der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach]
Umweltfreundlich und autonom?
Bei einem Einsatz von elektrisch betriebenen Verkehrssystemen in Kombination mit der Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen entfalten diese ihr volles Potenzial für den Klimaschutz. Die anspruchsvollen Kundenbedürfnisse können dabei zurzeit noch nicht vollständig erfüllt werden, es wird jedoch mit Nachdruck daran gearbeitet.
Aber sind die Versprechungen an Kundinnen und Kunden beim Thema Elektromobilität und auch die Erwartungen der EndnutzerInnen zum Thema automatisiertes Fahren nicht überzogenen?
Auch beim Thema automatisiertes Fahren sind die Erwartungen hoch und die versprochenen Vorteile klingen verlockend: der Fahrkomfort wird erhöht, mehr Unfälle können vermieden und vorhandene Straßen könnten effizienter genutzt werden. Doch viele Fragen sind nach wie vor offen – unter anderem rechtliche –, aber auch Unfälle haben sich bereits ereignet.
Der Wunsch, einfach ins Auto einzusteigen und zu entspannen, dürfte schrittweise Realität werden. In Deutschland wurde neuerdings ein Gesetzesentwurf verabschiedet, der es erlaubt, dass die Fahrerin beziehungsweise der Fahrer während der hochautomatisierten Fahrt die Hände vom Lenkrad nehmen darf. Dennoch erlaubt der Gesetzentwurf noch nicht das vollautonome Fahren, sondern nur hoch- beziehungsweise vollautomatisierte Fahrfunktionen. Dabei ist die Fahrerin beziehungsweise der Fahrer nach wie vor gesetzlich angehalten, in kritischen Fahrsituationen aktiv ins Fahrgeschehen einzugreifen.
Auch die Nutzungsbedingungen der von den Herstellern festgelegten Regeln zur “bestimmungsgemäßen Verwendung” solcher Fahrassistenzsysteme könnten die eine oder andere Überraschung beinhalten.
Die Akzeptanz dieser zukunftsträchtigen Technik hängt von der Frage ab, ob die Hersteller den Autofahrerinnen und -fahrern klar verständliche Fahrfunktionen bieten können, bei denen gleichwohl beide Seiten einem überschaubaren Risiko ausgesetzt sind.
Während bei der Elektromobilität die bestimmenden Themen Kosten, Reichweiten und Infrastruktur für die Kundenakzeptanz sind, kommt beim autonomen Fahren eine neue emotionale Komponente hinzu – das Vertrauen der Kundinnen und Kunden: Sie müssen sowohl den neuen Funktionen als auch der Überwachung trauen. Vertrauen beginnt mit guter und intuitiver Bedienbarkeit. Nicht nur die technisch versierten und interessierten FahrerInnen, sondern die unbedarften Kundinnen und Kunden müssen in erster Linie zurechtkommen. In letzter Konsequenz müssen die FahrerInnen spüren, dass man sich auf die Assistenzsysteme verlassen kann und deren Funktionen verstehen kann. Sie müssen darüber hinaus überzeugt werden, dass die automatische Steuerung gegebenenfalls schneller und besser reagiert, als sie es möglicherweise vermögen und das besonders in kritischen Situationen.