Iris Gomm, Absolventin des Masterstudiengangs „Architektur“ der FH JOANNEUM, arbeitet bei GA Collaborative in Kigali (Ruanda) mit dem Ziel, die Welt von morgen besser zu gestalten. Wir haben mit ihr über den Arbeitsalltag und das Leben in Afrika gesprochen.
Das Leben anderer Menschen bereichern
Niklas SiegerWelche Aufgabenbereiche haben Sie in Ihrem Beruf?
Iris Gomm: „Ich bin Projektleiterin bei der gemeinnützigen Organisation GA Collaborative in Kigali, Ruanda. Meine Aufgabenbereiche umfassen unter anderem die Entwurfs-, Detailplanung und Baustellenaufsicht. Mein übergeordnetes Ziel ist es, meinen ruandischen Arbeitskolleginnen und -kollegen zu helfen, effizienter zu arbeiten und offen für neue Technologien und nachhaltige Lösungen zu sein.“
Das Team von GA Collaborative (Kalifornien, Ruanda, Österreich). (© Iris Gomm)
Wie sind Sie überhaupt zu diesem Job gekommen?
Iris Gomm: „Während meines ‚Architektur‘-Studiums an der FH JOANNEUM hatte ich die einmalige Gelegenheit, ein Auslandssemester an der Calpoly in Kalifornien zu absolvieren. Dort habe ich meine Freundin kennengelernt, die mich später mit amerikanischen Architektinnen und Architekten in Kigali in Kontakt gebracht hat. Unzufrieden in meinem damaligen Job habe ich spontan beschlossen, sie in Kigali zu besuchen und mich bei ihnen vorzustellen. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen: Es war die richtige Entscheidung. An der FH JOANNEUM wurde ich durch die Gruppenarbeiten und die fächerübergreifenden Projekte bereits sehr gut auf die Berufswelt vorbereitet. Die Tatsache, dass der ‚Architektur‘-Jahrgang sehr klein ist, hat mir geholfen, enger mit Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten.“
Der Basketballplatz des neuen Community Centers in Ruanda ist in Zusammenarbeit mit amerikanischen NGOs wie Kate Spade, Shooting Touch, Gardens for Health und Ready for Reading entstanden. Kinder spielen hier bereits vor der Eröffnung. (© Iris Gomm)
Wie gefällt Ihnen die Arbeit?
Iris Gomm: „Der Job gefällt mir besonders gut, weil er so abwechslungsreich ist. Jeder Tag ist anders. Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen und ich lerne etwas besser zu verstehen, wie die Leute hier ticken und wie man mit ihnen am besten kommuniziert. Ich nutze meine Architekturkenntnisse, um Entwicklungshilfe zu leisten und nachhaltig zu bauen. Ich habe hier alle kreativen Freiheiten. Spezielle Herausforderungen sind definitiv die kulturellen Unterschiede und die Sprachbarriere. Die meisten hier sprechen Englisch oder Französisch, das bedeutet allerdings nicht, dass die Kommunikation einfach ist. Besonders wichtig ist es, geduldig zu bleiben und die Worte richtig und sorgfältig zu wählen.“
Wie empfinden Sie das Leben in Afrika?
Iris Gomm: „Die Ruanderinnen und Ruander sind besonders interessiert und offen für neue Leute. Von den Problemen bekommt man erst mehr mit, wenn man wirklich einige Zeit hier verbringt. Die meisten Personen, die ich kenne, haben Freundinnen, Freunde oder Familienangehörige verloren, teilen jedoch nur vereinzelt ihre Geschichten. In Anbetracht dieser Schrecklichkeiten sind die meisten unserer Probleme nebensächlich.“
Gleichberechtigung in der Arbeitswelt: Frauen auf der Baustelle und Frauen in Führungspositionen sind in Ruanda keine Seltenheit. (© Iris Gomm)
Inwiefern tragen Sie durch Ihren Job dazu bei, das Leben in Afrika besser zu gestalten?
Iris Gomm: „Wir sind gerade in der Endphase, ein Community Center zu bauen, das von einer amerikanischen Firma gesponsert wird. Anstatt einfach das Bauvorhaben durchzuziehen, haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Menschen aus dem Dorf von Anfang an zu involvieren und kooperieren mit NGOs, die besonderen Wert darauf legen, unsere Visionen weiterzuverfolgen: Das Wissen um gesunde Ernährung, nachhaltige Bauweise und umweltbewussten Umgang mit den Ressourcen sollte erhalten bleiben und weitergegeben werden.“
Community Center – work in progress: Bibliothek, Klassenräume, Computerraum, Sporthalle und Basketballplatz mit Innenhof und Spielplatz bereichern bald ein kleines Dorf in Ruanda. (© Iris Gomm)
Würden Sie auch anderen einen Job im Ausland empfehlen?
Iris Gomm: „Ja, ich würde allen empfehlen, längere Zeit im Ausland zu verbringen. Auch wenn das Arbeiten hier grundlegend anders ist als in Österreich, finde ich, dass es mich sehr gut für alle Aufgaben vorbereitet, die mich später erwarten. Ich habe in verschiedensten Bereichen Neues gesehen und arbeite mit Kundinnen, Kunden, Auftraggebern, Dorfbewohnerinnen und -bewohnern, Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Kolleginnen und Kollegen im Büro, die Architektur in Kigali studiert haben. Ich bin mit dem Gedanken hergekommen, den Menschen hier etwas beizubringen, doch ich finde, dass auch ich extrem viel von ihnen lernen kann: über mich selbst, über das Zusammenarbeiten mit unterschiedlichsten Personen und über kreative Lösungen, wenn Geld und Materialien limitiert sind.“
Welches Erlebnis in Afrika hat Sie besonders geprägt?
Iris Gomm: „Als erstes Projekt hier habe ich mitgeholfen, einen Spielplatz neben einer Volksschule zu bauen. Spielplätze sind etwas, das man hier kaum findet. Kinder spielen mit Reifen und Plastikflaschen oder helfen den Eltern, Wasser für die Familie zu holen. Daher war es besonders aufregend, den Kindern das Spielen zu ermöglichen. Jeden Tag, wenn ich auf die Baustelle gekommen bin, sind die Kinder auf mich zugelaufen und haben mich umarmt. Das war eine großartige und ermutigende Erfahrung und hat mir gezeigt, wie gut es sich anfühlt, etwas zu bauen, dass das Leben anderer nachhaltig verbessert.“
Der Spielplatz in Ruanda wird von Kindern gerne genützt. (© Iris Gomm)