Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.
Wöchentlicher Börsenbrief #1
Cornflakes und Uncle Sam’s Zinssorgen Dr. Josef Obergantschnig, 31. März 2023Cornflakes und Uncle Sam’s Zinssorgen
Irgendwie habe ich seit der Zeitumstellung noch immer einen „Mini-Jetlag“. Dagegen kann selbst ein doppelter Espresso wenig ausrichten. Ob mir da ein vorgezogenes Frühstück Abhilfe schaffen kann? Bei diesem Gedanken schweife ich in eine längst vergangene Zeit zurück, als ich als Kind bevorzugt meine Cornflakes mit kalter Milch zum Frühstück verspeiste. Der amerikanische Traum ist in den 1980ern sogar bis in die Steiermark vorgedrungen. Die Frage, ob ich frühstücksmäßig zu meinen Wurzeln zurückkehren soll, erübrigt sich, da ich in unserer Küche keine Cornflakes finde.
Wussten Sie eigentlich, dass der Arzt John Kellogg gemeinsam mit seinem Bruder Will Kellogg Cornflakes bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, da sie ein gesundes vegetarisches Grundnahrungsmittel für ihre Patient:innen gesucht haben? Die von Will gegründete Firma heißt seit 1922 Kellogg Company. Das Unternehmen beschäftigt heute weltweit rund 30.000 Mitarbeitende und wird an der Börse mit etwas mehr als 20 Milliarden US-Dollar bewertet. Das ist definitiv kein kleiner Fisch. In den letzten Jahren blieb die Performance von Kellogg aber deutlich hinter jener der Highflyer zurück.
Bleiben wir bei Uncle Sam. Die USA hat mittlerweile mehr als $31 Billionen an Schulden angehäuft. Etwas mehr als $7 Billionen werden von ausländischen Kreditgebern finanziert. Der größte Kreditgeber ist Japan mit etwas mehr als einer Billion US-Dollar. China hält aktuell US-Staatsanleihen im Ausmaß von $867 Milliarden und liegt damit vor Großbritannien mit $655 auf Rang zwei. Die Abhängigkeit der USA gegenüber Fernost wird dadurch ersichtlich, dass Japan und China gemeinsam mehr als ein Viertel aller von Ausländer:innen gehaltenen US-Staatsanleihen halten. Spannend finde ich auch einen Blick in die Historie. Zwischen 2002 und 2013 hat China die Position in US-Staatsanleihen von $100 Milliarden auf den Rekordwert von $1,3 Billionen aufgebaut. Seit damals wurde das Engagement deutlich zurückgefahren. Erst 2019 hat Japan China als größten ausländischen Kreditgeber abgelöst.
Die Lage in den USA ist mittlerweile äußerst angespannt. Das liegt zum einen an der hohen Schuldenlast, die mittlerweile auf ein Niveau von 129% in Relation zum BIP geklettert ist. Darüber hinaus beträgt das Budget-Defizit gegenwärtig -5,8%. Damit steht die USA nur unwesentlich besser da als das europäische Sorgenkind Italien.
In den vergangenen Monaten sind die Zinsen deutlich angestiegen. Inwiefern sich das auf die einzelnen Staatsbudgets auswirkt, hängt im Wesentlichen vom Refinanzierungsbedarf und der Neuverschuldung ab. Und auch hier könnte es für die USA kritisch werden, da ein Großteil der Anleihen bereits in den nächsten Jahren auslaufen werden. Allein in den nächsten beiden Jahren laufen gerundete 40% der US-Staatsanleihen im Ausmaß von $10 Billionen aus. Gemeinsam mit dem jährlichen Budget-Defizit muss die USA also knapp $12 Billionen neu und zu deutlich höheren Konditionen als in der Vergangenheit refinanzieren. Um das zu verdeutlichen, noch ein kleines Rechenbeispiel: Der 10-Jahreszins ist seit 2020 um 3% gestiegen. Das bedeutet, dass bei gleichbleibenden Bedingungen die Finanzierungskosten der $12 Billionen jährlich um $360 Mrd. teurer sind als noch 2020. Und das ist nur unwesentlich weniger, als die USA für Forschung und Entwicklung ausgibt.
Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur Staaten sondern auch Privatpersonen. Die Nachfrage für Wohnbaukredite ist in den letzten Monaten spürbar zurückgegangen. Das hängt zum einen mit den höheren Zinssätzen aber auch mit den strengeren Vergaberichtlinien der Banken zusammen. Laut OeNB liegt der Durchschnittszinssatz bei Wohnbaukrediten in Österreich bei 3,33% und damit deutlich über dem Vorjahreswert von 1,18%. Umgerechnet bedeutet das, dass sich die Zinsausgaben für Privatpersonen von €148 Mio. auf €284 Mio. innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt haben. Das wird wohl zweifelsohne eine ordentliche Delle im ein oder anderen Haushaltsbudget hinterlassen. Bleibt für mich noch die Frage offen, ob ich nun Cornflakes auf unsere Einkaufsliste setzen soll?