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Wöchentlicher Börsenbrief #18

Dr. Josef Obergantschnig, 28. Juli 2023
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in die Woche aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Kein Sommerloch für Notenbanker:innen

Als ich heute Morgen meinen Espresso trinke und die Börsennews durchscrolle, schaut mir ein traurig dreinblickender Jerome Powell entgegen. Der Präsident der amerikanischen Notenbank hat am Mittwoch Abend die US-Leitzinsen erneut um 0,25% auf 5,25% bis 5,50% angehoben. Das war das elfte Mal seit die Fed im März 2022 den Kampf gegen die Inflation aufgenommen hat. Dieser Zinserhöhungszyklus hat sich sowohl von der Geschwindigkeit aber auch vom Ausmaß schon schon jetzt seinen Platz in den Börsengeschichtsbüchern gesichert.

Die Notenbankpolitik zeigt bereits Wirkung. Die Inflationsrate ist im Juni auf 3% zurückgegangen und liegt damit immer noch deutlich über dem anvisierten Zielwert von 2%. Powell rechnet nicht damit, dass die Inflation vor 2025 unter diese Schwelle fallen wird. Bedeutet das nun, dass die Fed weiter kräftig an der Zinsschraube drehen wird? Diese Frage kann mit einem klaren Nein beantwortet werden. Fakt ist aber auch, dass die Zinserhöhungen bereits ihre Wirkung entfalten. Kredite werden teurer. Das trifft sowohl Privatpersonen aber auch Unternehmen. Investitionen werden damit teurer und im Vergleich zum Vorjahr deutlich unattraktiver. Und das wiederum bremst den Konjunkturmotor. An den Finanzmärkten wird in den kommenden Monaten mit einem stotternden Wirtschaftsmotor und abnehmenden Inflationsraten gerechnet. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, muss die Notenbank den Leitzins wieder senken. Der liebe Jerome hielt sich in seiner Rede alle Optionen offen. Er deutete aber auch an, dass die Fed bereits vor dem Erreichen des Inflationsziels mit Zinssenkungen beginnen wird.

Aber muss der liebe Jerome nun wirklich so traurig schauen? So schlecht stehen die Dinge nun auch wieder nicht. Wir haben sinkende Inflationsraten, endlich wieder positive Realzinsen und sind vermutlich schon in der Endphase des Zinserhöhungszyklus angekommen. Zumindest kann das Potenzial für weitere Zinserhöhungen als gering bezeichnet werden. Und selbst auf der Wirtschaftsfront scheint sich die Lage doch etwas zu entspannen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das BIP-Wachstum zwar zurückgegangen, allerdings kann man doch etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Der Internationale Währungsfonds hat diese Woche seine Prognose aktualisiert und die Prognose für das Weltwirtschaftswachstum für 2023 im Vergleich zur April-Einschätzung etwas angehoben. Die IWF-Experten sehen starke Arbeitsmärkte und durch den steilen Abfall der Preise für Energie und Lebensmittel einen deutlich gemilderten Inflationsdruck. Insofern könnte der liebe Jerome auch einmal lächeln.

Einen Tag später stand die Europäische Zentralbank und ihre Präsidentin Christine Lagarde im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die EZB hat die Leitzinsen um weitere 0,25% auf 4,25% angehoben. Im Vergleich zu den USA liegt die Inflationsrate über dem Leitzins. Zudem ist die Wirtschaft wesentlich schwächer. Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU, kämpft seit einiger Zeit mit einem stark stotternden Konjunkturmotor. Der IWF sieht Deutschland sogar als Konjunkturschlusslicht und prognostiziert eine anhaltende Rezession. Wenn die EZB die Zinsen weiter anhebt, besteht die Gefahr, dass der Wirtschaftsmotor komplett abgewürgt wird. Wird die EZB den eingeschlagenen Weg auch im Herbst konsequent weitergehen und weiter kräftig an der Zinsschraube drehen? Diese Frage kann gegenwärtig wahrscheinlich nicht einmal die liebe Christine Lagarde beantworten.

An den Finanzmärkten bleibt die Stimmung positiv. Die Aktienmärkte konnten im letzten Monat deutlich zulegen. Die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away” war 2023 definitiv kein guter Ratgeber. Vor allem Technologie-Aktien erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Nasdaq-100 erlebte das beste erste Halbjahr seit der Internetblase in den späten 1990ern. Die Börsenlieblinge Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Nvidia werden im Index mit 60% gewichtet. Alleine auf Apple und Microsoft entfallen mehr als 25 %. Ein breit diversifiziertes Portfolio schaut definitiv anders aus. Um die Anleger:innen vor zu großen Klumpenrisiken zu schützen, haben Börsenaufsichten wie die amerikanische SEC Diversifikationsregeln eingeführt. In einem Fonds darf das Gesamtgewicht der Aktien, die mit mehr als 5% beigemischt werden, maximal 50% betragen. Ein indexnaher Manager kann damit seine Strategie nicht mehr umsetzen. Und das wiederum hat die Indexabteilung der Nasdaq zu einer Neugewichtung bewogen. Hierbei wird das Gewicht der Tech-Giganten begrenzt und „kleinere“ Unternehmen aufgewertet. Und das wiederum wird in den nächsten Tagen und Wochen zu einer Umschichtungswelle und einem „Abverkauf“ der Techgiganten durch Fonds und ETFs führen. Von einem Summer-Sale würde ich aber nicht sprechen.

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