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Wöchentlicher Börsenbrief #24

Dr. Josef Obergantschnig, 09. Oktober 2023
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Higher for longer und Rocky Balboa

Im Oktober geht es an den Börsen noch einmal so richtig rund. Die Unternehmen steigen in den Ring, um den Investor:innen ihre Quartalsergebnisse vorzulegen. Unweigerlich muss ich an Italien denken. Zum einen natürlich, weil ich meine Kaffeebohnen aus dem Espresso-Mutterland beziehe. Und zum anderen muss ich unweigerlich an den italo-amerikanischen Boxer Rocky Balboa denken. Ob es den CEOs kurz vor der Präsentation der Ergebnisse wohl ähnlich gehen mag wie dem Helden meiner Kindheit vor einem wichtigen Kampf? Die Rahmenbedingungen sind schwierig und die Erwartungshaltung niedrig. Auch wenn die USA noch in keiner Rezession ist, eine Gewinnrezession haben wir jedenfalls erlebt. Die Unternehmensgewinne sind schließlich schon seit einigen Quartalen rückläufig. Nachdem die Erwartungen des Marktes eher schwach sind, würde es mich nicht wundern, wenn wir in den nächsten Wochen die eine oder andere positive Überraschung erleben. Und eines ist auch klar. Trotz der Kursrückgänge in den letzten Wochen liegt der breite amerikanische Markt (S&P 500) immer noch deutlich im Plus.

Klar scheint, dass sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamt hat. Die Märkte rätseln nun, ob wir eine harte oder eine weiche Landung erleben werden. Eine harte Landung – also ein drastischer und oftmals auch abrupter Einbruch – bringt in der Regel sinkende Unternehmensgewinne, Arbeitsplatzverluste und eine wirtschaftliche Abwärtsspirale. Im Gegensatz dazu erleben wir bei einer weichen Landung eine sanftere und kontrollierte Wirtschaftsverlangsamung. Die ergriffenen Maßnahmen greifen und es wird darauf abgezielt, die negativen Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmensgewinne zu minimieren. Die Zukunft kann natürlich niemand vorhersehen. An den Anleihenmärkten dient die Zinskurve als guter Prognostiker. Bei einer inversen Zinskurve bekommen Anleger:innen für eine kurzfristige Bindungsdauer mehr Rendite als bei einer längerfristigen. Aktuell liegt der 10jährige Zins unter dem 2jährigen oder auch dem 3-Monats-Geld. Die letzten beiden Rezessionen wurden durch eine inverse Zinskurve 2007 bzw. 2001 angekündigt. In der Historie trat eine inverse Zinskurve rund ein bis zwei Jahre vor Beginn einer Rezession auf.

Warum ist eine inverse Zinskurve ein gutes Frühwarnsystem? In einem normalen Marktumfeld liegen die langfristigen Zinssätze über den kurzfristigen. Das ist verständlich, da vermutlich jede Investorin und jeder Investor dafür belohnt werden will, wenn er einem Schuldner längerfristig Geld leiht. Im Falle einer inversen Zinskurve sehen Investor:innen einen wirtschaftlichen Abschwung. Infolgedessen wird erwartet, dass die Notenbanken die Zinssätze senken, um damit die wirtschaftliche Abschwächung zu bekämpfen. Unter diesem Blickwinkel erscheinen die langfristigen Renditen gar nicht mehr so unattraktiv, selbst wenn sie unter den kurzfristigen Renditen liegen.

Was sagt aber der Aktienmarkt? Die Bewertungen liegen immer noch über den historischen Durchschnittswerten. Insofern sind Investor:innen nach wie vor bereit, mehr für Aktien zu bezahlen. Und das wiederum deutet auf ein Soft-Landing-Szenario hin.

In einer Einschätzung sind sich Marktteilnehmer:innen aber einig: Der Inflationsdruck hat zwar spürbar nachgelassen, von einer „Normalisierung“ ist aber nicht auszugehen. Wie heißt es so schön: Higher for longer! Und das trifft wohl auch auf die Zinsen zu.

Von einer Box-Legende wie Rocky Balboa erwartet man, sich ohne Angst auch großen Herausforderungen zu stellen. Das kann man von Investor:innen wahrlich nicht behaupten. Am glitschigen Börsenparkett schwankt das Pendel ständig zwischen Angst und Gier hin und her. Der Fear & Greed Index misst anhand von sieben Einzelindikatoren die Marktstimmung. Aktuell regiert „extreme Angst“. Angst und Gier sind meiner Erfahrung nach ein schlechter Ratgeber. Langfristig erfolgreich sind jene, die über einen längeren Zeitraum ihrer Strategie treu bleiben und das kurzfristige Geschrei des Marktes ausblenden. In einem Fall hätte ich aber zweifelsohne Angst: Wenn ich mit meinem Nadelstreifanzug zu Rocky in den Ring steigen müsste!

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