Alexandra Haider, Leiterin des Instituts Hebammenwissenschaften, verbrachte im Februar 2024 knapp zwei Wochen in Ghana, wo sie im Holy Family Hospital Techiman eine Staff Mobility absolvierte. Ein Aufenthalt, der sie sehr begeistert hat, wie sie in diesem Blog berichtet.
Eine Hebamme in Ghana
Alexandra Haider MSc, 02. April 2024Im HFH Techiman kommen jährlich über 4.000 Kinder auf die Welt, mehr als die Hälfte davon per Kaiserschnitt. Diese hohe Kaiserschnittrate ist unter anderen dem Risikokollektiv sowie der mangelnden Expertise in Bezug auf Vakuum-Geburten und dem teilweise anderen Vorgehen vor und unter der Geburt geschuldet. Im Zuge unseres Einsatzes sind zusätzlich zum ärztlichen Team auch zwei Hebammen mit an Board, welche einerseits mit den ghanaischen Hebammen vor Ort ein Simulationstraining für geburtshilfliche Notfälle absolvieren und im gleichen Zug auch die Prozesse im Kreißsaal sowie in der Schwangerenambulanz evaluieren und Teachings durchführen. Eva Schindler-Lausecker, Hebamme am Universitätsklinikum Graz, und ich wurden nach unserer Anreise herzlichst von den leitenden Kreissaal-Hebammen begrüßt und willkommen geheißen. Auf Anhieb konnte man spüren, dass die Kombination aus der gleichen Berufsgruppe und den aufgeschlossenen Persönlichkeiten ein voller Erfolg sein wird.
Punktgenaue Vorbereitung
Für die Dauer der Staff Mobility wurde bereits im Vorfeld vom örtlichen Chefarzt und den leitenden Hebammen ein genaues Fortbildungs- und Teaching-Programm mit Vormittags- und Nachmittagssessions festgelegt. Die hervorragende Vorarbeit und die Abstimmung mit den Kolleginnen vor Ort vor dem Einsatz ermöglichten es, unseren Aufenthalt haargenau auf die Bedürfnisse der Kolleginnen in Ghana anpassen zu können – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. So folgte nach der Einführung im Kreißsaal am Morgen mit einer Geburt, die dann im Kaiserschnitt endete, auch gleich der Sprung ins kalte Wasser: andere Länder, andere Sitten, andere Vorgehensweisen. Die Frauen gehen hier unter Geburt zwischen den Zimmern selbst hin und her – ohne Liege oder Sessel – auch wenn der Muttermund bereits verstrichen ist. Außerdem sind Schmerzmittel unter der Geburt quasi nicht vorhanden, die Frauen entbinden immer am Rücken liegend und die Unterschrift auf der Kaiserschnitt-Aufklärung erfolgt mittels Fingerabdruck. Die Frauen in Ghana bekommen im Durchschnitt zwischen drei und vier Kinder und eine Schwangerschaft gehört hier für jede Frau genauso zum Leben dazu wie das Kleinkind, welches gefühlt bei jeder zweiten Frau am Rücken mit dabei ist – beim Arbeiten im Krankenhaus, beim Arbeiten auf der Straße oder einfach nur beim Einkaufen.
Simulationstrainings und Teachings für lokale Hebammen
Am ersten Nachmittag ging es dann nach einem aufregenden Morgen mit vielen Eindrücken weiter mit dem ersten CTG-Teaching der Woche. Kardiotokografie (CTG) dient der Überwachung des Fötus vor und insbesondere während der Geburt. Dies war eines der Themen, auf welches ein besonderes Augenmerk gelegt werden sollte in der Fortbildung, da die Hebammen vor Ort nur zum Teil in der Interpretation des CTGs geschult sind. Die Kolleginnen waren davor schon in Gruppen eingeteilt worden, sodass auch alle Hebammen über die zehn Tage hinweg von dem Teaching profitierten. Die Chefhebamme war auch bei jedem Teaching, egal ob morgens oder nachmittags, mit vollem Elan anwesend.
Offenheit, Freude und voller Einsatz
Generell muss man sagen, dass schon nach den ersten beiden Tagen der herzliche und aufgeschlossene Umgang mit den Kolleginnen sowie die unglaubliche Motivation und Freude der ghanaischen Hebammen über die Möglichkeit des Austausches, der Vernetzung und der Fortbildung auffiel. So viel Offenheit, Freude und Engagement muss man in Österreich oftmals suchen – und in Ghana hatten wir das Gefühl, die Kolleginnen sind wie hungrige Schwämme, die versuchen, jedes bisschen Wissen bestmöglich aufzusaugen und auch gleich umzusetzen. Sei es beim Schulterdystokie-Training oder bei den vielen konstruktiven Gesprächen zwischendurch – am Ende des Tages wusste man, warum diese Staff Mobility so wertvoll und zielführend ist.
Trotz der einfachen Ausstattung, der langen Wartezeit bei 35 Grad Celsius und der eingeschränkten Möglichkeiten lächelte jede und jeder, wenn man einen guten Morgen wünscht. Jede und jeder einzelne Angestellte gab uns das Gefühl, willkommen zu sein und viele Patientinnen bedankten sich aufrichtig und mit den Worten „God bless you“, obwohl man nur seinen Job gemacht hat. Wie kommt es, dass die Menschen hier so viel zufriedener sind, obwohl sie so viel weniger Ressourcen haben als wir in Mitteleuropa? Wie kommt es, dass sich das Leben hier viel echter und zugleich fröhlicher anfühlt, obwohl viele Möglichkeiten hier nicht oder kaum vorhanden sind? Wir waren einerseits in Ghana, um die Kolleginnen vor Ort mit unserer Expertise so gut es geht zu unterstützen und weiterzubilden, und andererseits erleben wir hier so viele Dinge, die wir von den Kolleginnen gelernt haben und mit nach Hause nehmen konnten. Das hat unsere Arbeit unter vielen anderen Aspekten auch so unglaublich erfüllend gemacht und es lässt sich zukünftig hervorragend in den interkulturellen Hochschulalltag integrieren.
Simulationspuppe als Geschenk
Das mitgebrachte Material und die neu gekaufte Puppe für die Simulationstrainings – „MamaBirthie“ – wurden als Geschenk übergeben. Besagte Puppe konnte aufgrund der großartigen Unterstützung der FH JOANNEUM und der NGO „Medical Support in Partnership“ im HFH Techiman verbleiben, sodass die Hebammen das Training in ihren Alltag integrieren können.
Ich möchte meinen Bericht mit einem Zitat von Margret Mead beenden: „Never doubt that a small group of thoughtful, committed citizens can change the world. Indeed, it is the only thing that ever has.“
Alexandra Haider leitet das Institut Hebammenwissenschaften und den Bachelorstudiengang „Hebammen”.