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Über das Lehrbuchwissen hinaus

Anita Galler, 27. April 2016
FH JOANNEUM - Über das Lehrbuchwissen hinaus - Weltkarte

Studierende der Studiengänge „Luftfahrt / Aviation“ und „Produktionstechnik und Organisation“ können sich auf etwas Besonderes freuen: Roy Issa, Associate Professor of Mechanical Engineering an der School of Engineering & Computer Science der West Texas A&M University lehrt hier derzeit als Gastprofessor. Wir sprachen mit ihm über die universitären Unterschiede zwischen Österreich und den USA und die jeweiligen Besonderheiten.

Warum haben Sie sich für die FH JOANNEUM beworben? Welches sind die wichtigsten Ziele ihres Aufenthalts?
Ich entschied mich für eine Bewerbung an der FH JOANNEUM, weil sie Studiengänge sowohl für Luftfahrt als auch für Produktionstechnik anbietet. Das ist nur bei ganz wenigen Universitäten der Fall. Vor meiner Universitätszeit arbeitete ich 4 Jahre als Forschungsingenieur in der Luft- und Raumfahrtindustrie an Projekten rund um das NASA Space Shuttle und die Internationale Raumstation ISS und 8 Jahre als Analysetechniker in der Stahlindustrie. Meine industrielle Laufbahn steht in engem Zusammenhang mit diesen beiden Studiengängen der FH JOANNEUM. Außerdem war ich sehr daran interessiert, Graz kennenzulernen – eine Kulturstadt und lebendige Studentenstadt mit sechs Universitäten.

Das wichtigste Ziel meines Aufenthalts in Graz ist es, eine enge Verbindung zwischen meinem Heimcampus und der FH JOANNEUM aufzubauen. Ich würde gerne die Erkenntnisse, die ich aus meinem Gastland mitbringe, auch meinen Studierenden zu Hause vermitteln. Derzeit arbeite ich an einem Programm, das es IngenieurstudentInnen der West Texas A&M University ermöglicht, die FH JOANNEUM in naher Zukunft zu besuchen.

Wie unterscheiden sich Lehre und Studium an der FH JOANNEUM und der Western A&M University?
Da die Muttersprache der Studierenden nicht Englisch ist, muss man als Lehrender bei den Vorlesungen besonders auf das Sprachniveau achten. Ich verwende z.B. keine Akronyme, die meine Studierenden verwirren könnten. Außerdem poste ich meine Präsentationen schon vorab, sodass sich die Studierenden vor der Vorlesung darauf vorbereiten können.

Zu Beginn meiner Lehrtätigkeit an der FH JOANNEUM hat mich vor allem überrascht, dass ich eine dreistündige Vorlesung über Thermodynamik halten kann, ohne dass sich die Studierenden darüber beschweren. Das wäre zu Hause sehr schwierig, vor allem in einem so schwierigen Fach wie Thermodynamik. Vorlesungen in Ingenieurfächern sind üblicherweise auf maximal 75 Minuten beschränkt. Mir ist auch aufgefallen, dass an der FH JOANNEUM Vorlesungen innerhalb von fünf bis sechs Wochen abgewickelt werden können, und nicht in einem Zeitraum von 15 Wochen, wie bei uns in den USA üblich.

Ich unterrichte derzeit Fallbeispiele für die Thermodynamik am Studiengang “Produktionstechnik und Organisation” (PTO) und meine Studierenden arbeiten alle nebenher Vollzeit in der Industrie. Mir scheint, sie stehen unter einem großen Druck, ihr Studium abschließen und sich gleichzeitig eine berufliche Karriere aufbauen zu müssen. In den USA können Studierende den Praktikumsteil ihres dualen Studiums im Sommer absolvieren, während der jeweils 15 Wochen im Frühlings- und Herbstsemester müssen sie allerdings Vollzeit studieren.

Welche universitären Gepflogenheiten der A&M University würden Sie hier gerne einführen? Und welche der FH JOANNEUM würden Sie gerne mit nach Hause nehmen?
In meinen technischen Vorlesungen an der West Texas A&M University konfrontiere ich meine Studierenden gerne mit Projektarbeiten. Da ist sowohl analytisches Denken als auch Konstruktionstechnik gefragt. Die Studierenden sollen an den von ihnen selbst gebauten Prototypen Versuche durchführen. Auch die gemeinsame Arbeit im Labor macht mir Spaß.

Ich mag die starken Verbindungen zwischen der FH JOANNEUM und den hier ansässigen Unternehmen. Studierende der FH JOANNEUM sammeln dadurch wertvolle praktische Erfahrungen und lernen Dinge, die über das Lehrbuchwissen hinausgehen. Da ich sowohl in der Industrie als auch an der Universität gearbeitet habe, finde ich diese Art von Studium (angewandte Wissenschaften) sehr reizvoll. Ich hoffe, dass wir diese Grundsätze auch in den USA stärker in unsere technischen Studiengänge integrieren können.

Welche österreichische Eigenheiten sind Ihnen besonders aufgefallen?
Die Menschen hier in Österreich gehen sehr viel zu Fuß! In den USA sind wir für den Weg von und zur Arbeit immer auf unser Privatauto angewiesen und wir gehen auch selten spazieren oder wandern. Im Rahmen meiner Gastprofessur verbringe ich jetzt rund sechs Monate in Österreich. Zum ersten Mal in meinem Leben steht mir mein Privatauto nicht zur Verfügung. Und offen gesagt, ich vermisse es überhaupt nicht. Ich habe mich schnell daran gewöhnt, mit dem Zug zu reisen, mit der Straßenbahn in die Arbeit zu fahren und an der frischen Luft zu radeln. Das ist so entspannend und ich genieße es sehr.

Was mögen Sie an Österreich und seinen Menschen?
Österreich ist wirklich ein wunderschönes Land. Es ist reich an Geschichte, hat viele Schlösser, die auf einen Besuch einladen und die Landschaft ist atemberaubend. Österreich steht ganz oben auf meiner Liste von Ländern, die ich ihn Zukunft gerne öfter besuchen möchte. Die österreichischen Menschen sind sehr nett und freundlich und Besuchern gegenüber sehr hilfsbereit.

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