Wer gewinnt die Battle of Awareness? 2

Wer gewinnt die Battle of Awareness?

Natanja C. Pascottini,

Jede Kirchenbank bis auf den letzten Platz besetzt, zusätzliche Hocker und Stühle am Gang zum Altar und junge Menschen, die am Schneidersitz am Steinboden sitzen. Willkommen in der Design Lecture von Michael Hajek, dem Artdirektor des ORF und Geschäftsführer der OMC (ORF Marketing Creation).

„Nicht wir, die Medien, sind das Problem, sondern ihr. Ihr unter 29, ihr seid so schwierig, so wählerisch, so anspruchsvoll.“ Mit einem Augenzwinkern und diesen Worten eröffnete Michael Hajek seinen Vortrag zum Thema „Die digitale Revolution – wie die ‚neuen Kanäle‘ unsere visuelle Kommunikation verändern“.

Die Location war wie geschaffen für das Thema „Visuelle Kommunikation“: Unter dem Blick zahlreicher Ikonen, flankiert von mehreren Abbildungen des erfolgreichsten Logos der Welt erzählte der Experte in der Stiftskirche im Joanneumsviertel in Graz über seine tägliche Arbeit. Der Fokus lag auf den Herausforderungen, die mit der Digitalisierung und den vielen, nun gar nicht mehr ganz so neuen, Kanälen einhergehen. Im Kampf um das knappe Gut der Aufmerksamkeit gilt es, aufzufallen, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen und den Rezipientinnen und Rezipienten das zu geben, was für sie effektiven Mehrwert hat. Wer das kann, gewinnt.

Das Produktionsmonopol fällt

Laut Michael Hajek war die Nachfrage nach Visualisierung, nach visuellem Material beziehungsweise bewegtem Content noch nie so hoch wie heute. Daraus ergibt sich eine gigantische Nachfrage nach Gestalterinnen und Gestaltern – der Markt lebt so gut wie nie zuvor. Jedoch verändern sich die Strukturen, die Vermarktung, die Prozesse. Die digitale Revolution ist in allen Lebensbereichen enorm und mit ihr geht eine Informationsrevolution einher. Die Angebote sind vielfältig. Das Produktionsmonopol fällt. Jeder kann visuelles Material anfertigen – von Bildern über Videos bis hin zu Datenvisualisierung. Diese Massentauglichkeit, in der die Gatekeeper-Kultur obsolet wird, bringt eine Geschwindigkeit mit sich, die es kaum möglich macht, bewusst zu rezipieren beziehungsweise zu kontrollieren. Und die wenige Zeit, die uns zum Rezipieren und Verarbeiten bleibt, ist teuer. Aufmerksamkeit ist psychologisch und physiologisch begrenzt – mit ihr muss jede und jeder wirtschaften. Und gerade weil sie begrenzt ist, wird so hart um sie gekämpft. Wenn eine Botschaft ankommen soll, wenn eine Visualisierung hervorstechen und bewusst rezipiert werden soll, muss die Zuschauerin beziehungsweise der Zuschauer erreicht werden.

Wie sticht man hervor?

Die Entscheidung, was die eigene Aufmerksamkeit und Zeit verdient hat, trifft man aus mehreren Beweggründen. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind beispielsweise Faktoren – hier ist eine starke Marke wertvoll: Brands sind Leuchttürme. Das dazugehörige Logo visualisiert die Werte und muss gepflegt werden. Je konkreter, desto konkreter das Versprechen.

Aber nur eine gute Marke reicht nicht. In allen Mediengattungen ist der Markt übersättigt. Wie hebt man sich noch ab, um Aufmerksamkeit zu generieren? Positionierung und Differenzierung sind die Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Und dies, nicht nur auf einem Kanal, sondern auf mehreren: Denn jeder Kanal braucht eigenen Content, der dem Charakter der Plattform entspricht. Wenn das gelingt, entscheiden sich die Rezipientinnen und Rezipienten für dieses Angebot und gegen ein anderes.

Was fesselt, sind gut überlegte Geschichten. Grafikerinnen und Grafiker von morgen sind Storyteller, beschäftigen sich mit Marktingpositionierung und Brandmanagement und arbeiten journalistisch – Stichwort Datenjournalismus: Durch die Grafik, die eine Datenmenge visuell aufbereitet, entsteht eine Geschichte.

Wenn heute ein Projekt gestartet wird, wird die Visualisierung von Beginn an mitgedacht – früher war dies die klassische Aufgabe der Informationsdesignerinnen und -designer, heute bestimmt das Marketing mit, um die visuelle Ansprache genau auf die Zielgruppe abzustimmen. Es folgen die technische Umsetzung und dann die Automatisierung.

Gehet hin und…

„Seid euch der Battle of Awareness bewusst, achtet auf genaue Positionierung, das Denken in mehreren Kanälen, das Visualisieren auf verschiedenen Endgeräten, Storytelling im Team, Credibility, das Pflegen der Marke, Brandmanagement, Personalisierung und Simplifizierung“, schloss Michael Hajek den ersten Vortrag, den er in einer Kapelle gehalten hat.

Tipp:

Mit diesen und ähnlichen Themen befassen sich beispielsweise der Bachelor-Studiengang „Informationsdesign“ und der Master-Lehrgang „Visuelle Kommunikation und Bildmanagement“.