Bolivien ist vielfältig. Schon allein was das Klima betrifft, hat der Binnenstaat von Wüste über Dschungel bis hin zu Andengebieten alles zu bieten. Auch die BewohnerInnen können einen mit ihren über 30 Amtssprachen immer wieder überraschen und auch bei Zeiten die Kommunikation erschweren.
Doch so vielfältig wie ihre Kultur und ihr Land generell ist, so vielfältig sind auch ihre Probleme.
Arbeitslosigkeit, Armut, mangelnde Bildung, Malnutrition und stetig zunehmendes Übergewicht in der Bevölkerung prägen das Land an jeder Ecke. Zumindest was die letzten beiden Punkte betrifft, scheint Bolivien somit ein passender Ort für eine Diätologin zu sein.
Proyecto Horizonte ist eine NGO in Cochabamba, die für mich der richtige Ort für mein Auslandspraktikum darstellte. Diese setzt sich seit 2004 für die Anliegen der BewohnerInnen von Mineros San Juan, Ushpa-Ushpa, ein und bietet unterschiedlichste Programme an. Schulen und Kindergärten wurden eröffnet, Sport-und Musikunterricht angeboten und auch ein Gesundheitszentrum mit Ärzten, Krankenschwestern, einem Zahnarzt, einer Biochemikerin und „nutricionistas“, also sowas wie Diätologinnen, wurde aufgebaut.
Hier fand ich meinen Platz als angehende Diätologin, um mit Einheimischen ein Stück weit das komplexe Feld der Ernährung zu erarbeiten. Einfacher gesagt, als getan. Unterschiede in der Kultur, Sprache und Mentalität sorgten für reichlich lustige, herausfordernde, aber auch verbindende Augenblicke, stets mit der Freundlichkeit der BolivianerInnen im Vordergrund. Ein Lieblingsthema der Besucherinnen des Gesundheitszentrums waren Schwangerschaft, Stillzeit und Kinderernährung, was man beim Anblick von Müttern, welche ihre Kinder bereits mit drei Monaten Coca Cola, Schokolade und Waffeln füttern, kaum glauben mochte.
Einen Teil meines Praktikums nahm auch das Zusammenstellen von Infomaterial in Anspruch, welches für Schulen und Kindergärten verwendet wurde. Ich hatte die Möglichkeit, bei einer Fussballveranstaltung die Jugendlichen von Proyecto Horizonte anhand eines Plakats über Sporternährung zu informieren, bei Vorträgen über Gesellschaftsentwicklung mitzuwirken und mit Jugendlichen die wichtigsten Aspekte der Ernährung in einem Workshop zu erarbeiten.
Die größte Herausforderung war wohl die Schulung der gesamten MitarbeiterInnen von Proyecto Horizonte. Menschen aus Bolivien, aber auch aus Russland, Kanada, Peru und der Schweiz wollten auf Spanisch einen Einblick in die gesunde Ernährung, aber auch Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit, bei Gastritis und Sporternährung bekommen. Nicht nur die verschiedenen Herkunftsländer machten diese Stunde zu einer sehr spannenden, sondern auch die unterschiedlichen Anliegen, Berufsgruppen und Erfahrungen. Folglich resultierten daraus viele Fragen, viel Gelächter und ein Workshop, der auch meinen Horizont erweiterte.
Für mich war es eine besondere Erfahrung, das Thema der Ernährung einmal von einer ganz neuen Seite kennenzulernen und in eine anderen Kultur und Lebensweise einzutauchen.