Vor 11 Monaten, 23 Tagen und 12 Stunden bin ich am Flughafen von Santiago de Chile angekommen. Mein Kopf war voll mit tausenden Gedanken, Sorgen und Erwartungen und mein Herz bereit für ein neues Abenteuer. Damals hatte ich noch keinen Plan, wo ich in den nächsten Tagen schlafen werde; nicht die leiseste Ahnung, wo ich wohnen werde und schon gar keine Vorstellung davon, wie mein Leben die kommenden fünf Monate aussehen wird. Aber irgendwie hatte ich großes Vertrauen, dass alles gut gehen wird.
Wenn ich jetzt zurückblicke, kann ich ganz klar behaupten, dass mein Vertrauen berechtigt war. Die Zeit in Chile war eine der schönsten und gleichzeitig bedeutendsten in meinem Leben. In diesem Bericht werde ich versuchen, die wichtigsten Erfahrungen in Teilbereiche aufzuteilen, um Studierenden ein paar hilfreiche Botschaften mit auf ihren Weg in ein neues Land beziehungsweise eine neue Kultur zu geben:
Uni-Alltag: In Chile gibt es eine sehr ausgeprägte Hochschulkultur. Trotz relativ hoher Studiengebühren hat die Universität einen hohen Stellenwert im Leben der Chileninnen und Chilenen. Das macht die Hochschule zu einem zentralen Ort der Begegnung und des (Kennen-)Lernens. Die Unterrichtssprache ist zwar Spanisch, aber mit einem Basis-Sprachwissen wird man schnell in den Unterricht integriert und kann sich somit rasch weiterentwickeln. Auch der Kontakt zu Einheimischen ist leichter, wenn man die Landessprache spricht, da Englisch allzu oft keine Option darstellt.
Mein Tipp daher: Wählt ein Land für eure Auslanderfahrungen, dessen Sprache ihr gerne lernen oder weiterentwickeln möchtet und bemüht euch, diese Sprache auch zu gebrauchen, indem ihr viel mit den Einheimischen redet und so gut es geht auf internationale Sprachen wie Englisch verzichtet. Genießt den Alltag an der Hochschule – so entspannt und ungezwungen wird Lernen vermutlich nie wieder sein in eurem Leben. Wählt Fächer, die euch interessieren und nicht diejenigen, die am wenigsten Aufwand versprechen. Redet im Unterreicht mit, erzählt von Österreich und haltet Präsentationen über euren Heimatort. Ihr habt das Privileg, vier bis fünf Monate an einer Gasthochschule im Ausland Professorinnen und Professoren, Ausstattungen sowie außergewöhnliche Lehrinhalte zu erleben – nützt diese Gelegenheit.
Reisen: Chile ist ein enorm faszinierendes Land. Von der scheinbar unendlichen Atacama Wüste im Norden bis zum atemberaubenden Feuerland im Süden bietet Chile eine unschlagbare Vielfalt an Landschaften, Vegetationen und Tierarten. Es wäre beinahe ein Verbrechen, sich dieser Faszination nicht hinzugeben. Zu Reisen und Erkundungen von fremden Ländern während des Auslandssemesters sage ich prinzipiell: Macht es. Schaut, dass es sich gut mit dem Stundenplan vereinbaren lässt, packt einen großen Rucksack, ladet euch die Couchsurfing-App herunter und ab in den nächsten Zug, Bus oder Flieger.
Kulturschock: Als großes, hellhäutiges Mädchen ist es nicht immer leicht in Chile. Es gab Momente in der U-Bahn, die mir gezeigt haben, wie es sich ungefähr anfühlen muss, in einem Land grundlegend fremd und anders zu sein. Blicke voll von Neugierde und Erstaunen. Chilenen, die in abgeschiedenen beziehungsweise verarmten Gegenden wohnen, kennen blondes Haar vorwiegend aus dem Fernsehen und begreifen nicht, warum die dunkle Farbe aus den Augen verschwunden ist. In dem Stadtteil, in dem meine Wohnung gelegen war, waren die Menschen gewöhnt an „westliches Aussehen“.
In den ärmeren Vierteln von Santiago sieht das jedoch ganz anders aus. Ich kann mich noch genau erinnern als ich eines Sonntags während meiner wöchentlichen ohne-Plan-und-Ziel-Erkundungstouren bei einer mir unbekannten U-Bahn-Station ausgestiegen bin und durch die Straßen spaziert bin. Ein Mann hat mich aufgehalten und gefragt, was ich hier mache. Ich habe ihm erzählt, woher ich bin und dass ich mir die Stadt ansehen möchte. Daraufhin hat er mich auf eine Schüssel Cochayuyo eingeladen und wir haben gemeinsam mit seiner Familie auf der Straße gegessen, gelacht und uns Geschichten erzählt. Rein äußerlich hätten wir nicht unterschiedlicher sein können, aber vom Wesen her sind wir doch alle gleich. In dem Fall waren Wertschätzung, Humor und eine gute Portion Meeresalgen die Gemeinsamkeiten, die uns verbunden haben. Bei eurer Auslandserfahrung ist es vermutlich etwas ganz anderes, aber deshalb nicht weniger herzerwärmend.
Mein Tipp: Geht mit einer offenen Einstellung und ganz viel Neugierde in das Auslandssemester. Natürlich sollte auch immer eine gesunde Portion Vorsicht mit dabei sein, aber Voreingenommenheit und Angst schränken einen ein und verhindern oft die schönsten Erlebnisse.