Als ich im September 2023 den Studiengang „Physiotherapie“ an der FH JOANNEUM in Graz abgeschlossen habe, habe ich beschlossen das erste Jahr nach meiner Graduierung als „4. Ausbildungsjahr“ zu nutzen. Mein persönliches Ziel war es, Physiotherapie und Gesundheitssysteme in unterschiedlichen Kontexten zu erleben, weshalb es mich nach meiner ersten Arbeitserfahrung in Österreich in die Niederlande und dann nach Nepal zog.
Über eine befreundete Medizinstudentin habe ich von dem Krankenhaus in Dhulikhel erfahren, in dem ich über zwei Monate verbringen durfte. Nach dem Ausfüllen eines Bewerbungsformulars, das auf der Website des Krankenhauses zur Verfügung gestellt wurde, hatte ich bereits nach kurzer Zeit die Zusage. Vor meiner Anreise war ich in intensivem Kontakt mit dem internationalen Koordinator des Krankenhauses, der meine Unterbringung in einem Gästehaus für internationale Student:innen und meine Abholung vom Flughafen organisierte. Zusätzlich kontaktierte mich eine Physiotherapeutin, die mir circa eine Woche vor Praktikumsstart einen Plan für meine ersten Wochen zuschickte, in dem meine persönlichen Wünsche inkludiert wurden. Im Mai 2024 startete also die Reise nach Dhulikhel, eine kleine Stadt 25 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Kathmandu.
Nachdem ich am ersten Tag am Vormittag das Team und Gelände kennenlernte, war ich im physiotherapeutischen Alltag angekommmen. Da das Dhulikhel Krankenhaus ein Lehrkrankenhaus mit Außenstandorten in sehr abgelegenen Gebieten ist, war ich intensiv in den universitären Alltag eingebunden und durfte sogenannte „Outreachcentres“ im ländlichen Nepal besuchen. Im Zuge dessen durfte ich viel Zeit mit den Physiotherapiestudent:innen und den Professor:innen verbringen. Gemeinsam mit den Student:innen, die mir so manches Mal auch als Übersetzer:innen zur Seite standen, durfte ich Patient:innen selbstständig behandeln oder in der Rolle der Beobachterin die Lernenden durch den physiotherapeutischen Prozess führen.
Aufgrund personeller Ressourcen übernehmen Physiotherapeut:innen Tätigkeitsbereiche, die in Österreich von anderen Professionen durchgeführt werden. Nicht zuletzt deshalb konnte ich meinen klinischen Denkprozess intensiv weiterentwickeln. Da das Gesundheitssystem in Nepal vor anderen Herausforderungen steht (um einige zu nennen: viele ländliche Gebiete mit wenig Gesundheitsversorgung, was zur langer Anreise in ein Krankenhaus führt und dementsprechend zur Verschlechterung des Gesundheitszustands beiträgt, die Luftverschmutzung in Nepal generell (COPD), das Angleichen von internationalen Guidelines, die auf die nepalesische Bevölkerung nicht anzuwenden sind und viele mehr), konnte ich mir viel Wissen aneignen.
Neben meiner Arbeit im Krankenhaus, habe ich Freundschaften mit Einheimischen und internationalen Student:innen geschlossen, mit denen ich Bergtouren im Himalayagebirge, Kloster- und Tempelbesuche, gemeinsames Kochen von nepalesischen Speisen und andere Abenteuer erleben durfte. Da ich auch viel Zeit mit Studierenden aus aller Welt verbrachte, profitierte ich von deren Erfahrungen und Wissen aus den jeweiligen Ländern wie beispielsweise England, Amerika oder Alaska. Mit großer Zufriedenheit und Dankbarkeit schaue ich auf diese Zeit zurück, in der ich das simple Leben in vollen Zügen genossen habe. Das Postgraduiertenpraktikum in Nepal zählt zu meinen schönsten Erinnerungen.