Sabine Proßnegg, Lehrende am Institut Internet-Technologien & -Anwendungen, gibt in ihrem Blogartikel ein Update über Corona-Apps und deren Datenschutzproblematik
Corona-Apps und der Datenschutz
FH-Prof. Mag. Dr. Sabine Proßnegg LL.M., 12. Mai 2022An dieser Stelle habe ich vor ziemlich genau zwei Jahren über die Corona-App des Roten Kreuzes (RK) in Österreich geschrieben. Damals habe ich versucht, das Für und Wider abzuwägen und bin eher skeptisch geblieben, wie auch die meisten Österreicher:innen. Bedenken in Hinblick auf die mögliche weltweite Übertragung der Daten insbesondere in die USA mit Blick auf die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 16.07.2020 (Schrems II) zu deren Überwachungsmaßnahmen; Bedenken, an wen welche Daten in welchem Umfang und zu welchem Zweck weitergegeben werden und was damit passiert; die Erinnerung an die Vorratsdatenspeicherungsdiskussionen im Jahre 2014, die letztlich (zumindest vorläufig) seitens des Verfassungsgerichtshofs (VfGH 27.06.2014, G47/2012) und des EuGH (C-623/17 Privacy International und C-511/18, C-512/18 und C-520/18, La Quadrature du Net u.a., beide vom 6.10.2020) beendet wurde; Bedenken, ob die Daten nach Ende des Zweckes auch wirklich gelöscht werden sowie die Unsicherheit in Hinblick auf die Krankheit und deren Übertragung haben meines Erachtens eine Regelung, die einen so massiven Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte ohne Faktenbasis gebracht hätte, einfach nicht gerechtfertigt.
Anders in Deutschland. Die dortige Luca App wurde dort, obwohl – soweit sich das aus den Medienberichten beurteilen lässt – datenschutzrechtlich weit weniger sorgsam umgesetzt als in Österreich, trotzdem mithilfe öffentlicher Mittel und mit massivem Druck öffentlicher Stellen rund 40 Millionen Mal downgeloaded. (Die Zeit vom 21. April 2022)
Stärker als noch vor zwei Jahren ist nun klar geworden, wie sehr durch die Digitalisierung unsere Privatsphäre unter Druck gerät. Gab es vor Corona noch die Möglichkeit, nicht bei allem dabei zu sein, also etwa nicht auf Plattformen der Sozialen Medien und auch sonst datensparsam zu sein, hat uns der Corona-Lockdown und der damit einhergehende Digitalisierungsschub dieser Möglichkeiten weitgehend beraubt. Es gibt kein Entkommen und wohl auch kein zurück. Natürlich profitieren wir alle von der Digitalisierung, die unzweifelhaft und unbestritten viele Vorteile hat. Die Schonung der zeitlichen Ressourcen, weil etwa Reisezeiten wegfallen, viele Angebote, die kostenlos oder sehr günstig sind und vieles mehr werden gerne genutzt. Aber schon in meinem damaligen Blog habe ich hervorgehoben, dass die Digitalisierung „einen mächtigen Verbündeten an ihrer Seite [braucht]: das Vertrauen.“ Die Bedeutung von Vertrauen und Digitalisierung wird immer wieder hervorgehoben, etwa in einem Positionspapier von Bitkom (Vertrauen & IT-Sicherheit|Bitkom e.V., 5.5.2022) oder von Deloitte (Review, Issue 26, January 2020, Bannister et al, Ethical tech: Making ethics a priority in today‘s digital organization).
In Deutschland wurde damals, also 2020, intensiv die Abwägung zwischen dem Recht auf Menschenwürde und dem Recht auf Leben diskutiert (etwa in Die Zeit, Ausgaben 7. und 14. Mai 2020). In Österreich hörte man dazu nicht viel, abgesehen von Fachzeitschriften (etwa dem Artikel von Clemens Thiele in jusIT 3/2020, 85-87). Doch jetzt ist alles anders. Die Zeit hat am 21. April 2022 wieder einen Artikel zur Luca App, der deutschen Variante der Corona-Nachverfolgungsapp veröffentlicht und angeblich „wird es jetzt kompliziert“.
Die Corona-Nachverfolgungsapp ist hinfällig geworden, da sich mit Omicron so viele infiziert haben, dass eine Kontaktnachverfolgung unmöglich und nicht mehr zielführend ist (Die Zeit, 21. April 2022), falls dies überhaupt jemals zielführend war. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Antwort also klar und so schreibt auch Die Zeit im genannten Artikel, die personenbezogenen Daten sind gemäß Artikel 5 Abs 1 lit c DSGVO zu löschen. Zusätzlich zum Datenschutz kommen noch zwei weitere Argumente: Die App, obwohl in Besitz von Privatpersonen (Culture4Life) wurde weitgehend mit öffentlichen Mitteln finanziert und der einzige angeführte und heftig beworbene Zweck war die Rettung von Menschenleben. Dazu kommt, dass ohne App eine Teilnahme am öffentlichen Leben so gut wie nicht möglich war (Die Zeit 21. April 2022). Warum ist es nun plötzlich kompliziert? Das ist schnell erklärt. Die personenbezogenen Daten sind schon da und wäre es nicht schade, diesen reichen Schatz einfach ungenutzt ziehen zu lassen? Marketing ist schließlich teuer. Die findigen Geschäftsleute von Culture4Life haben für die Luca App eine neue Geschäftsidee: Anstatt Leben zu retten kann man diese App nun als Gastro-App zum Buchen von Restaurants samt Zahlungsfunktion einsetzen. Ticketbuchungen und Ausweisfunktionen sollen folgen. Es ist alles nicht so einfach, weil diese App von einer privaten Firma entwickelt und zur Nutzung angeboten wurde.
Tatsächlich ist es ganz einfach. An das Datenschutzrecht als Grundrecht mit Drittwirkung müssen sich alle halten. Der Zweck, für den die personenbezogenen Daten gesammelt und verwendet wurden ist weggefallen, die Daten sind zu löschen, ohne Wenn und Aber. Wer eine Gastro-App anbieten möchte, kann eine solche entwickeln und in einem App-Store zum Download anbieten.
Digitalisierung wird uns weiterhin nicht oder nur schleppend gelingen, wenn es nicht möglich ist, umfassendes Vertrauen aufzubauen. Wird diese deutsche Lebensrettungsapp einfach als Gastro-App weitergeführt, dann hat die Politik wieder mühsam aufgebautes und wertvolles Vertrauen verspielt. Allein die Diskussion in einem Medium, das sich selbst als Qualitätsmedium bezeichnet, ist bereits schädlich. Eine kleine Anmerkung zum Schluss: Eine Fortsetzung dieser Serie brauchen Sie nicht zu fürchten, denn mein Die Zeit-Abo habe ich, auch aufgrund der meines Erachtens völlig unkritischen Corona Berichterstattung, bereits beendet.
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