Der 9. Didaktik-Tag der FH JOANNEUM stand ganz im Zeichen der Generationen – Expertinnen und Experten diskutierten die Veränderung der Hochschullehre über mehrere Generationen hinweg.
Didaktik-Tag 2018: Die „Generation Z“ unterrichten
Jutta Pauschenwein, 10. Dezember 2018Der wissenschaftliche Geschäftsführer Karl P. Pfeiffer, der Leiter des Kollegiums Uwe Trattnig und die wissenschaftliche Leiterin der Hochschuldidaktischen Weiterbildung (HDW) Doris Kiendl eröffneten den 9. Didaktik-Tag der FH JOANNEUM. In der Einleitung wiesen sie darauf hin, dass die Digitalisierung uns Lehrende herausfordert, dass neue Medien sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden sollen und, dass unsere Studierenden (aller Generationen) äußerst heterogen sind.
„Generation Z“ im Hörsaal – und plötzlich ist alles anders
Christian Scholz, von der Universität des Saarlandes und Autor eines Buches über die „Generation Z“, führte in das Thema ein, indem er kurz festhält, dass Menschen in ihrer Jugend von den vorherrschenden Wertesystemen geprägt werden und daher der Ansatz der Generationen Sinn macht. Er streifte die Generation der „Babyboomer“, die noch richtig gestreikt haben, die „Generation X“, bei der das Private in den Mittelpunkt rückte und die den Begriff Work Life Balance prägte sowie die fleißige, optimistische „Generation Y“.
Die „Generation Z“ nützt drei bis fünf Screens, hat ihre Daten in der Cloud und zeichnet sich durch Realismus aus. Sie werden von ihren Helikopter Eltern gefördert und geschützt und haben einen großen Bedarf an Sicherheit, in einer Welt, die durch die Schlagworte Digitalisierung, Agilität, Globalisierung und Virtualisierung geprägt ist. Sie streben nach Erfüllung in ihrer Arbeit, meiden jedoch Stress und Druck, um nicht krank zu werden. Überstunden und ein Führungsjob sprechen sie nicht an.
Durch die Beobachtung ihrer Eltern im Hamsterrad der täglichen Anforderungen entwickeln sie einen extremen Realismus. Beruf und Privatleben grenzen sie klar ab, das Studium wird als Beruf wahrgenommen.
Die „Generation Z“ braucht klare Strukturen, sie sind es so gewöhnt. Sie möchten Sicherheit und akzeptieren Kontrolle. In einer schönen Umgebung fühlen sie sich wohl. In ihrer Gruppe soll es harmonisch zugehen, von den Lehrenden erwarten sie Lob, gemäß der Aussage „Everyone gets a trophy“. Als Creators können sie Dinge schaffen, sie haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne (Attention deficit disorder) und beziehen sich auf sich selbst (Selbstreferenzialität).
Photo: FHJ/Jutta Pauschenwein
World Café: Beschriebenes Tischtuch
Das Problem der Generationen – Generationenbilder im Vergleich
Bernhard Heinzelmaier, Vorsitzender von jugendkultur.at, baute auf den Ausführungen seines Vorredners auf und erweiterte die Perspektive. Er sprach von den Lebenswelten der „Generationen Y und Z“, der 16- bis 30-Jährigen. In der heute vorherrschenden neoliberalen Kultur sind wir alle austauschbar und müssen uns daher permanent bewähren.
Heinzelmaier erzählt vom Angelus Novus, einem Bild von Paul Klee, das für Walter Benjamin zum Engel der Geschichte wurde. Während der Engel bei Benjamin voll Entsetzen in die Vergangenheit schaut, in der der Sturm des Nationalsozialismus wütet, hat sich nach Heinzelmaier sein Blick nunmehr in die Zukunft gerichtet. Die Angst vor der Zukunft fördert die Nostalgie, “die Retrotopia” (Zygmunt Bauman). Geräte, Konzepte oder auch Mode aus der Vergangenheit geben uns Sicherheit.
Photo: Paul Klee (Unless indicated otherwise, editions hosted by the Modernist Commons are licensed under: Creative Commons Attribution- NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License)
Angelus Novus
Heinzelmaier zitierte Oliver Nachtwey – Dieser beschreibt in seinem Buch „Die Abstiegsgesellschaft“, dass in unserer Gesellschaft viele auf einer Rolltreppe stehen, die nach unten fährt. Diese Menschen müssen gegen die Rolltreppe anlaufen, um keinen sozialen Abstieg zu erfahren.
Doch wie gehen die Jungen mit dieser Welt um?
Sie haben einen gesunden Pragmatismus, sind digital und egotaktisch, sehen sich im Mittelpunkt der Welt. Bilder sind ihnen wichtig, es geht um Inszenierung, nicht mehr um Fakten. Sie inszenieren sich auch selbst, ihr Körper ist wichtig. In sozialen Medien versuchen sie die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Manchen gelingt es auch dieses Aufmerksamkeitspotenzial in ökonomisches Potenzial umzuwandeln. Nach Heinzelmaier befriedigt der digitale Mensch sein narzisstisches Selbstdarstellungsbedürfnis. Mitglieder dieser Generationen sind spontan und unverbindlich. Sie haben keine Treue gegenüber dem Unternehmen oder der Hochschule und finden Werteinszenierungen lächerlich.
Diskussion im World Café
Moderiert von Jutta Pauschenwein (ZML – Innovative Lernszenarien) setzten sich Studierende und Lehrende an zehn Tischen mit folgenden Fragen auseinander:
Was ist mein persönliches Fazit aus den Vorträgen? Welche Aussagen der Vorträge haben mich berührt oder verärgert?
Wie kann ein studierendengerechter Unterricht gestaltet sein? Wie können wir Hindernisse und Stolpersteine überwinden?
Photo: FHJ/Jutta Pauschenwein
Diskussionen im World Café
Studentische GastgeberInnen fassten die Diskussionen zusammen und berichteten von Fragen und Ergebnissen an ihren Tischen:
Die „Generation Z“ benötigt Sicherheit, wobei Struktur Sicherheit gibt, Freiheit Unsicherheit schafft. Gibt Struktur Sicherheit? Könnten Strukturen schrittweise weggelassen werden? Verhindert Struktur Flexibilität und Selbständigkeit?
Wo sind die Schnittmengen zwischen den „Generationen X, Y und Z“? Es gibt keine Pauschallösung für alle. In Lehrveranstaltungen mit wenigen Herausforderungen haben Studierende auch weniger Erfolgserlebnisse. Ist Scheitern für die „Generation Z“ schlecht? In dieser Generation muss die Aufmerksamkeit immer neu fokussiert werden, dies bedeutet einen Mehraufwand für Lehrende.
Studierendengerechte Lehre fördert Selbstverantwortung und Erfahrungsaustausch und ist praxisbezogen. Studierende sollten in der Lehrveranstaltung konsumieren und produzieren. Vielfältige Methoden im Unterricht einzusetzen, fordert die Lehrenden heraus.”
In den abschließenden Statements rief Heinzlmaier dazu auf, die Selbstlehre bei den Studierenden zu fördern sowie das Nein-Sagen, während Scholz vor einem Maximum an Digitalisierung warnte.
In der Diskussion wurde auch der Ausdruck Helikopter Lehrende erfunden, den ich, Jutta Pauschenwein, persönlich sehr aussagekräftig finde.
Photo: FHJ/Jutta Pauschenwein
World Café: Diskussionsergebnisse