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Die Vermessung der Fußballwelt

Niklas Sieger
Spieler am Fußballfeld

Der SK Sturm Graz bereitete sich in Belek auf die Rückrunde vor. Foto: © Alexander Fasching

Der SK Sturm Graz absolvierte von 24. Jänner bis 2. Februar 2019 sein Trainingslager im türkischen Belek. Mit dabei war auch Philip Klöckl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sportwissenschaftlichen Labors der FH JOANNEUM Bad Gleichenberg. Mithilfe von GPS- und Beschleunigungssensoren führte er bei allen Spielern Bewegungstrackings durch, welche das Training optimieren sollen.

Der Name ist scheinbar Programm: Bei der Ankunft am Flughafen von Antalya wurde die Mannschaft des steirischen Fußball-Bundesligisten im wahrsten Sinne des Wortes stürmisch empfangen. Doch Wind und Wetter konnten weder der Stimmung noch dem Naturrasen an der Riviera etwas anhaben. So konnten die Spieler des SK Sturm Graz so gut wie alle Trainingseinheiten planmäßig absolvieren. Dabei standen sie nicht nur unter medialer, sondern auch unter sensorischer Beobachtung. Bei den Trainings vor Ort war auch ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sportwissenschaftlichen Labors der FH JOANNEUM Bad Gleichenberg, der bei den Kickern Bewegungstrackings durchführte. Dahinter steckt das sogenannte Catapult-System.

Beim Catapult-System wird ein Sensor im Nacken der Spieler positioniert, welcher ihre Bewegungen während des Trainings erfasst. Foto: © Alexander Fasching

Das Catapult-System der FH JOANNEUM Bad Gleichenberg

Im Fußball geht es vor allem darum, die Ausdauer und Schnelligkeit zu verbessern. Der SK Sturm Graz setzt hierfür in der Vorbereitungszeit schon seit einem Jahr auf ein High-End-Tracking-System namens Catapult, welches in der Saisonvorbereitung im Trainingszentrum Messendorf angewandt wird und im Jahr 2019 auch beim Trainingslager in Belek zum Einsatz kam. Die FH JOANNEUM ist die einzige universitäre Einrichtung, welche dieses System hat. Hierbei wird ein Sensor im Nacken der Spieler positioniert, der anhand von GPS- und Beschleunigungssensoren ihre Position und Bewegungen misst und somit Daten für die Analyse erhebt. „Im Fußball ist die Aufzeichnung extrem komplex, da sich Laufgeschwindigkeit und -richtung der Spieler und infolge dessen die Herzfrequenz aufgrund der Beschleunigungen ständig ändern. Die Leistungsdiagnostik ermöglicht eine hohe Individualisierung, da man von jedem Spieler Daten erhält, welche für Entscheidungen des Trainers relevant sein können, etwa wann ein Fußballer sein körperliches Belastungslimit erreicht hat oder wo noch Potenzial besteht“, so Dietmar Wallner, Leiter des Sportwissenschaftlichen Labors der FH JOANNEUM Bad Gleichenberg.

Für den SK Sturm Graz wird am Beginn der Saisonvorbereitung bei jedem Training am Spielfeld eine Ausdauer- und Sprintdiagnostik vorgenommen. Bei der Ausdauerdiagnostik müssen die Spieler einen Shuttle-Run absolvieren: Dieser erfolgt über eine 20 Meter lange Strecke hin und zurück, wobei die Geschwindigkeit über ein Pacer-System mit Lautsprechern vorgegeben wird. Jede Minute wird in 15-sekündigen Pausen die Blutlaktatkonzentration gemessen, danach geht es jeweils mit einer um 0,5 km/h höheren Geschwindigkeit weiter – so lange, bis die Kicker erschöpft sind. Bei der Sprintdiagnostik müssen Shuttle-Sprints und 30-Meter-Linear-Sprints mit maximaler Intensität absolviert werden.

Das Pacer-System wurde von einem ehemaligen „eHealth“-Absolventen der FH JOANNEUM entwickelt und hat sich vor allem aufgrund seiner hohen Genauigkeit und vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten bewährt. Ziel des Trackings ist die Optimierung der Trainingsbelastung, wobei die Letztentscheidung stets der Trainer trifft. „Dieser kennt die Athleten natürlich viel besser. Wir sehen uns vielmehr als Berater und geben Empfehlungen anhand der erhobenen Daten“. Die Kooperation mit dem SK Sturm Graz läuft noch bis zum Ende der Vorbereitungszeit, möglicherweise wird sie danach auf den Meisterschaftsbetrieb ausgeweitet. Diesbezüglich laufen noch Gespräche.

Philip Klöckl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sportwissenschaftlichen Labors der FH JOANNEUM, kümmert sich um die Datenanalyse und -auswertung. Foto: © Alexander Fasching

Der gläserne Fußballer?

Groß im Gespräch ist derzeit auch das Thema Big Data im Fußball. Findet der wahre Kick schon bald in Datenbanken statt? „Big Data im Fußball wird sicher kommen“, ist Dietmar Wallner überzeugt, „Die Frage ist jedoch: Wo kommen die Daten her und wie hoch ist deren Qualität?“ Derzeit gibt es drei Möglichkeiten, die Daten zu erheben. GPS stellt dabei die mobilste Variante dar, der technische Aufwand ist relativ gering. Eine Alternative bilden im Stadion montierte Radarsysteme, welche aber nur an Ort und Stelle eingesetzt werden können. Die Zukunft sieht Dietmar Wallner im Optical Tracking. In jedem Bundesligastadion gibt es hierfür Taktik-Cams, die ein unbewegliches Videobild für die Videoanalyse aufnehmen. Potenzial besteht hier vor allem in der exakten Positionserfassung der Spieler, die Kameras weisen laut Dietmar Wallner derzeit allerdings noch eine hohe Ungenauigkeit auf. Um gegnerische Mannschaften zu analysieren, stellen sie jedoch die effektivste Methode dar, da man diese Daten ungefiltert über Aufnahmen im Stadion bekommt und nicht auf das Material anderer Vereine angewiesen ist. Auch Transfers werden aufgrund von Big Data in Zukunft anders ablaufen. „Die Arbeit der Spielerscouts wird sich ändern, da eine gewisse Vorselektion schon durch Big Data erfolgt. Daten von Spielern können dann in großen Datenbanken gespeichert und nach bestimmten, für die jeweilige Position des Fußballers relevanten Kriterien gefiltert werden.“

Fakt ist: Das Training der Fußballspieler wird sich mit den neuen technischen Möglichkeiten ändern. Dies hat primär positive Aspekte. So werden etwa Verletzungen ohne Fremdeinwirkungen zurückgehen, da man weiß, wie hoch die Belastung ist, die man einem bestimmten Spieler zumuten kann.

Hinweis

Am 15. Mai 2019 findet die erste Athletiktrainerkonferenz im Audimax der FH JOANNEUM in Graz statt. Als Keynote Speaker wird das Athletiktrainerteam von Dynamo Zagreb zu Gast sein, außerdem gibt es eine Podiumsdiskussion und Vorstellung des Catapult-Systems. Weitere Infos erfahren Sie in wenigen Wochen.

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