Mit dem autonomen Taxi am Weg ins Büro schaltet die Ampel durch Sensoren sofort auf Grün. An der Ecke steht ein Hochhaus, das als Insektenfarm hilft, unseren Eiweißbedarf zu decken. In Produktionshallen fertigen Maschinen Produkte selbstständig und Drohnen liefern sie zu uns. Sieht so unsere Zukunft aus? Das haben wir Experten des Departments Engineering gefragt.
Engineering NEU denken
FH JOANNEUM, 11. März 2019Von virtuellen Taxifahrten und dem Testen selbstlernender Maschinen
Elektronik ist das Bindeglied zwischen Umwelt und digitaler Welt. Die Anzahl der Sensoren in Geräten und Maschinen wächst rasant: Zahnbürsten, Türschlösser oder Autos können Eigenschaften der Umwelt messen und Daten in Form von elektronischen Signalen weiterverarbeiten oder untereinander austauschen.
Für diesen Datenaustausch bringt der neue 5G-Mobilfunkstandard mit hoher Bandbreite und der zunehmenden Vernetzung von Menschen, Geräten und Dingen neue Möglichkeiten mit sich. Gerade immer kürzere Latenzzeiten – also geringere Verzögerungen beim mobilen Datenaustausch – von unter einer Millisekunde lassen neue Anwendungen zu. Ein Gedankenexperiment: Wir machen eine Taxifahrt. Die Lenkerin oder der Lenker sitzt dabei nicht mehr direkt am Steuer, sondern vor dem Computer und lenkt das Taxi. Dank schneller Elektronik und dem neuen Mobilfunkstandard ist das theoretisch bald möglich.
Ebenso kann die Leistungselektronik der Motor für die Mobilität der Zukunft sein. Dabei müssen Fragen rund um die Produktion, den Transport und die Speicherung von Energie geklärt und verbessert werden. Machine Learning stellt ein weiteres Anwendungsfeld dar. Algorithmen können selbst lernen, Probleme zu lösen und bringen uns dabei zum Staunen. Wie Computer diese komplexen Probleme mithilfe von künstlicher Intelligenz lösen, können Expertinnen und Experten teils nicht mehr beantworten. Die Frage ist daher nicht mehr, wie ich einem Computer beibringe ein Problem zu lösen, sondern wie ich die Lösung überprüfe. Elektronik und Computer Engineering helfen dabei.
Vom sauberen, intelligenten, vernetzten und gemeinsamen Fahren
Mobilität und deren Industrialisierung befinden sich im Umbruch. Wir fahren in Zukunft…
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…sauber: Der Abgasskandal hat den Wunsch nach sauberen Kraftfahrzeugen in das Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Einigkeit besteht darin, dass der Elektromotor die Verbrennungsmaschinen in wesentlichen Bereichen ablösen wird. Beim Energieträger gibt es zwei Möglichkeiten: Akkus oder Wasserstofftanks mit Brennstoffzelle. Beide Technologien sind realistisch, weisen aber für eine Durchsetzung jeweils noch individuelle Schwächen auf.
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…intelligent: Fahrassistenten und teilautonome Autopiloten sind am Markt bereits verfügbar. Vom Start bis ins Ziel tatsächlich ohne Fahrerinnen- beziehungsweise Fahrereingriff auszukommen, dürfte innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre allerdings schwer umsetzbar sein. Noch lauern technische und juristische Hürden. Künstliche Intelligenz im Fahrzeug wird jedoch langfristig definitiv zum Erfolgsfaktor.
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…vernetzt: Der Weg zu effizienterem und flüssigerem Verkehr führt über den Datenaustausch der Fahrzeuge untereinander mit der entsprechend verfügbaren Infrastruktur. Der Ausbau des 5G-Netzes ermöglicht den Austausch notwendiger Datenmengen. Von künstlicher Intelligenz unterstützte Verkehrssysteme werden den Verkehr automatisch leiten.
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…gemeinsam: Ein eigenes Auto zu besitzen, verliert an Attraktivität – besonders in der Stadt. Ein Parkplatz wird zum Luxusgut. An dessen Stelle treten Ride-Hailing- (private Mitfahrgelegenheiten über Apps) und Carsharing-Angebote. In Österreich hat sich bisher noch kein Anbieter durchgesetzt. Autonomes Fahren und Robotaxis werden die urbane Mobilität transformieren.
Von Verkehrsflugzeugen und Drohnen
Auch wenn Verkehrsflugzeuge äußerlich heute fast genauso aussehen wie vor Jahrzehnten, lassen sich die Innovationen in der Luftfahrt nicht aufhalten. Leichtbaumaterialien, umweltfreundlichere Antriebe oder eine gesamtheitliche Betrachtungsweise des Reiseerlebnisses für Passagiere sind nur einige Beispiele dabei. Die sichtbarste Veränderung in der Luftfahrt ist die große Anzahl von Drohnen schon heute und deren rasante Wachstumsrate in Zukunft. Und wer weiß, vielleicht fliegen wir schon bald mit Elektroflugtaxis einfach über den Innenstadtstau hinweg.
Von nachhaltiger Produktion und neuen Lebensmitteln
Nicht nur unsere Mobilität wird von Hightech-Maschinen verändert, sondern auch die Lebensmittelproduktion. Der Wunsch nach Lebensmitteln in höchster Qualität und aus nachhaltiger regionaler Produktion steigt. Sie sollen immer und überall verfügbar sowie individuell auf geschmackliche Vorlieben und gesundheitliche Anforderungen adaptiert sein. Herkunft, Transport- und Verarbeitungsbedingungen sollen transparent und alle Inhaltsstoffe bis zu den Urprodukten nachprüfbar sein. Das birgt Herausforderungen für Landwirtinnen und Landwirte.
Sie experimentieren, wie auch engagierte Gründerinnen und Gründer, zusehends mit neuen und wiederentdeckten pflanzlichen und tierischen Rohstoffen. Daraus entwickeln sie kreative Produkte für alle Zielgruppen. Das Angebot an Lebensmitteln ist vielfältig und spezifischer als je zuvor. An neuen wird auch getüftelt: Ein Beispiel ist die Kultivierung und Verarbeitung frosttoleranter Feigen. Ein anderes Forschungsfeld dreht sich um die Zucht von Insekten mittels regionaler Rohstoffe. Sie könnten für heimische Forellen und Saiblinge als Futter zum Einsatz kommen oder in fernerer Zukunft auch direkt als eiweißreiches Mehl für den Verzehr durch Menschen verarbeitet werden.
Von Robotersystemen und virtuellen Zwillingen
Produkte entstehen vermehrt am Computer, ehe sie in die Realität umgesetzt werden. Durch den virtuellen Zwilling lassen sich Eigenschaften von Produkten beurteilen und optimieren, noch bevor sie gebaut werden.
Der stetige Trend zur Individualisierung stellt die Produktionstechnik vor neue Herausforderungen, die nicht alleine durch virtuelle Zwillinge gelöst werden können. Die industrielle Serienfertigung wird durch individuelle Produktionsanforderungen verdrängt. Die nötige Flexibilisierung in der Fertigung kann nur durch den Einsatz moderner digitaler Werkzeuge beherrschbar werden. Die M2M-Kommunikation, also der Informationsaustausch von Maschine zu Maschine, ist ein Weg dorthin. Aber nicht nur Maschinen arbeiten miteinander. Roboter können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwere, monotone Aufgaben abnehmen und sie dadurch entlasten. Aufgrund der Roboter-Mensch-Zusammenarbeit können komplexe Fertigungs- oder Montageprozesse vorgenommen werden.
Bislang nicht vorstellbare Bauteilgeometrien werden durch additive Fertigungsverfahren ermöglicht. Diese Freiheit in der Formgebung ermöglicht es aber nicht nur, besondere Leichtbaukonstruktionen und mechanische Systeme beanspruchungsgerecht zu gestalten, sondern schafft auch im Produktdesign neue Gestaltungsfreiräume. Anwendungsgerechte Produkte entstehen – Stichwort: User Centered Design. Auch moderne Werkstoffe wie Verbundwerkstoffe erobern Produktbereiche, in denen sie bislang nicht eingesetzt wurden. Was bislang nur im Luftfahrtbereich oder der Militärtechnologie zur Anwendung gelangte, wird für Produkte des täglichen Gebrauchs, etwa im Bereich medizinischer Produkte oder bei Sportartikel, eingesetzt. All das macht Produktionsprozesse effizienter, ressourcenschonender und umweltfreundlicher.