Sonnenenergie ist als nahezu unerschöpfliche Energiequelle eine tolle Möglichkeit in das Thema der erneuerbaren Energiegewinnung einzusteigen.
Erneuerbare Energie im Mehrparteienhaus – Fakt oder Fiktion?
Ein Ratgeber zu Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen Karin Kuchler und Florian Zefferer, 10. September 2019Sonnenenergie ist eine hervorragende Möglichkeit um in das Thema “Erneuerbare Energiegewinnung” einzusteigen. Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher assoziieren den Einsatz von Photovoltaikanlagen jedoch mit den Themen „Häuslbauen“ oder „industrielle Nutzung“. Die Generierung von erneuerbarer Energie ist jedoch auch im Mehrparteien- oder Mehrfamilienhaus mittels der Nutzung von Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen möglich. Wir haben die wichtigsten Tipps und Informationen rund um Gemeinschaftsanlagen gesammelt.
Die Erzeugung elektrischer Energie aus der Energie der Sonnenstrahlung mithilfe von Solarzellen wird als Photovoltaik bezeichnet. Technische Anwendbarkeit erlangte die Photovoltaik in der Weltraumtechnik Ende der 1950er Jahre. Die Ölkrise in den 1970er Jahren sowie der Atomunfall in Tschernobyl förderten die Entwicklung der Photovoltaik in der Energieerzeugung. Hohe Investitionskosten zu Beginn konnten durch Skaleneffekte in der Produktion von Solarmodulen sowie durch Fördermaßnahmen entgegnet werden. In den 1990er Jahren wurden die ersten Photovoltaikanlagen in Österreich errichtet, wobei erst ab 2008 ein immenser Aufschwung bei den installierten Leistungen zu verzeichnen war.
Bezogen auf den Gesamtstromverbrauch von Österreich deckt die Stromerzeugung aus Photovoltaik rund ein Prozent ab. Photovoltaikanlagen wurden in den letzten Jahren überwiegend auf Dächern von Einfamilienhäusern, Gewerbebetrieben oder öffentlichen Einrichtungen errichtet. Bewohnerinnen und Bewohner von Mehrparteienhäusern waren durch gesetzliche Regelungen von der Nutzung von Photovoltaik weitgehend ausgeschlossen. Mithilfe der kleinen Ökostromnovelle 2017 wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen damit auch Bewohnerinnen und Bewohner von Mehrparteienhäusern an einer nachhaltigen Energieerzeugung teilnehmen können.
Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage – Was ist das?
Eine gemeinschaftliche Erzeugungsanlage ist in den meisten Fällen eine Photovoltaikanlage, die auf dem Dach oder der Fassade eines Mehrparteienhauses installiert wird. Eine solche PV-Gemeinschaftsanlage soll den Strombezug aus dem öffentlichen Netz für die Bewohnerin/den Bewohner (sogenannte teilnehmende Berechtigte) reduzieren. Stattdessen wird der eigene produzierte Strom aus der PV-Gemeinschaftsanlage verwendet. Dieser Strom ist kostengünstiger da darin keine Netzentgelte, Abgaben oder Steuern enthalten sind. Überschüssiger Strom aus der PV-Gemeinschaftsanlage, der nicht durch die teilnehmenden Berechtigten verbraucht wird, wird in das öffentliche Netz eingespeist. Die Einspeisung dieses überschüssigen Stroms wird durch einen Energieversorger entsprechend vergütet. Für den Verbrauch der nicht durch die PV-Gemeinschaftsanlage abgedeckt werden kann (Restnetzbezug), besteht für jeden teilnehmenden Berechtigten die freie Wahl des Energieversorgers.
Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage – Grundlegende Voraussetzungen
An dem Modell einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage müssen sich mindestens zwei „teilnehmende Berechtigte“ beteiligen. Sowohl bei Miet-, als auch bei Eigentumswohnungen muss die Mehrheit der Mieterinnen und Mieter bzw. Eigentümerinnen und Eigentümer der Errichtung einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage zustimmen. Zusätzlich ist im Falle eines Mietverhältnisses das Einverständnis der Vermieterin/des Vermieters notwendig. Für den Betrieb der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage kann ein Anlagenbetreiber bestimmt werden. Neben den wohnrechtlichen Voraussetzungen ist mit einem Anlagenplaner/einer Anlagenplanerin zu klären, ob der Standort bzw. das Gebäude grundsätzlich geeignet sind. Für die weitere Anlagendimensionierung sind sowohl die Erhebung des Stromverbrauchs im Gebäude als auch die Anzahl der teilnehmenden Berechtigten notwendig. Zugleich ist es erforderlich, dass die teilnehmenden Berechtigten und die gemeinschaftliche PV-Erzeugungsanlage an der gleichen elektrischen Hauptleitung angeschlossen sind. Der Netzbetreiber muss bei den teilnehmenden Berechtigten einen Smart Meter (digitales Zählgerät) installieren, welcher den Stromverbrauch im Viertelstundenintervall misst und verarbeitet.
Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage – Wie kann ich teilnehmen?
Sind die oben genannten Voraussetzungen gegeben, müssen noch einige vertragliche und administrative Angelegenheiten berücksichtigt werden. Als teilnehmende Berechtige/teilnehmender Berechtigter ist der Auslesung und Verwendung von Viertelstundenwerten zuzustimmen. Diese Zustimmungserklärung holt der Anlagenbetreiber ein. Dieser Inhalt ist auch Teil einer vom Netzbetreiber eingeforderten Zusatzvereinbarung zum Netzzugangsvertrag. Daneben ist mit dem Anlagenbetreiber ein Errichtungs- und Betriebsvertrag abzuschließen. Darin wird die Aufteilung der erzeugten Energie aus der PV-Gemeinschaftsanlage geregelt, welche nach einem statischen oder dynamischen Verfahren erfolgen kann. Statisch bedeutet, dass es ein fixes Aufteilungsverhältnis unter den teilnehmenden Berechtigten gibt. Währenddessen kann sich die Zuteilung bei der dynamischen Variante jede Viertelstunde ändern.
Die Abrechnung von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen
Die Abrechnung erfolgt über den Netzbetreiber und stützt sich auf folgende Daten:
* Verbrauchs-Messwerte der teilnehmenden Berechtigten je Viertelstunde
* Erzeugungs-Messwerte der gemeinschaftlichen Anlage je Viertelstunde
* Aufteilungsschlüssel (statisch oder dynamisch)
Mithilfe dieser Daten ordnet der Netzbetreiber die Erzeugungsmengen aus der PV-Gemeinschaftsanlage den teilnehmenden Berechtigten zu und saldiert diese mit dem jeweiligen Verbrauch (alles bezogen auf Viertelstundenwerte). Die ermittelten Werte werden an den Energieversorger für den eingespeisten PV-Strom, an die Energieversorger der teilnehmenden Berechtigten für den Restnetzbezug und an den Anlagenbetreiber übermittelt. Vom Energieversorger des Restnetzbezuges erhalten die teilnehmenden Berechtigten jährlich die übliche Stromrechnung (reduziert um den zugeordneten Anteil aus der PV-Gemeinschaftsanlage). Der Anlagenbetreiber vereinbart mit den teilnehmenden Berechtigten entweder einen Arbeitspreis (ct/kWh) oder eine gestaffelte Pauschale für den Verbrauch des erzeugten PV-Stroms und verrechnet diesen entsprechend. Die Erträge aus der Einspeisung des Überschussstroms werden vom Anlagenbetreiber an die teilnehmenden Berechtigten weiterverrechnet.
Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage – Geschäfts- und Finanzierungsmodelle
Grundsätzlich können die teilnehmenden Berechtigten einen Verein bzw. eine Energiegenossenschaft gründen, die als Anlagenbetreiber auftritt oder dies von einem Dritten (externes Unternehmen, Wohnbaugesellschaft, EVU) durchführen lassen. Für den Fall der Eigenverwaltung ist der Verein aufgrund der geringeren Komplexität zu bevorzugen. Dabei wird in den Vereinsstatuten die Aufteilung der Investitionskosten, die Aufnahme von Mitgliedern sowie der Tarif für den erzeugten Strom beschlossen. In diesem Zuge können auch alternative Finanzierungsmodelle wie Crowd Funding als Finanzierungsoptionen herangezogen werden. Ist die Bereitschaft zur Beteiligung unter den teilnehmenden Berechtigten gering, kann die Finanzierung der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage durch ein Energieversorgungsunternehmen (EVU), eine Wohnbaugesellschaft oder ein anderes externes Unternehmen bewerkstelligt werden. Einige Energieversorgungsunternehmen führen neben der Finanzierung die gesamte Wertschöpfungskette von der Planung über die Errichtung bis hin zur Abrechnung durch.
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Die Vorteile einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage für die Privatperson
Teilnehmende Berechtigte können ihre Stromkosten senken. Der erzeugte Strom aus der PV-Gemeinschaftsanlage enthält keine Netzentgelte, Abgaben oder Steuern, die beim Restnetzbezug vom Energieversorger ca. 2/3 der Stromrechnung betragen. Zudem werden nicht nur die Stromkosten für die eigene Wohnung reduziert, sondern auch die Stromkosten für den Allgemeinstrom, der Teil der Betriebskosten ist. Neben den Ersparnissen bei der Stromrechnung ist es für die Bewohnerinnen und Bewohner von Mehrparteienhäusern ein wesentlicher Faktor dass sie eigenen erneuerbaren Strom produzieren. Somit kann in Zeiten von extremen Wetterphänomenen und Auswirkungen des Klimawandels ein Beitrag zu einer nachhaltigeren Energieversorgung geleistet werden.
Fazit gemeinschaftlicher Erzeugungsanlagen
Bewohnerinnen und Bewohner von Mehrparteienhäusern haben nun die Möglichkeit eigenen Strom zu produzieren. Egal ob die PV-Module am Dach oder auf der Fassade installiert werden, mit einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage wird ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigeren Energieversorgung in Ballungsräumen geleistet. Zudem können die Stromkosten durch die Installation eines Stromspeichers weiter reduziert werden.