Die Technik hat sich im Laufe der Geschichte schon vieles bei der Natur abgeschaut. Zum Beispiel orientiert sich die moderne Luftfahrt immer wieder am aerodynamischen Vorbild verschiedenster flugfähiger Tiere. Für die industrielle Fertigung sind vor allem der optimale Bewegungsablauf und die optimale Arbeitsteilung entlang der Lieferkette interessant.
Industrie 4.0 – Denken und Handeln wie die Ameisen
Martin Wallner, 09. April 2015Der optimale Bewegungsablauf in der Lieferkette sorgt dafür, dass ein Produkt wie etwa ein Auto an die Kundin bzw. den Kunden so ressourcenschonend wie möglich geliefert werden kann. Das kann bedeuten, dass möglichst wenig Energie für den Transport aufgewendet werden soll. Eine konkrete Maßnahme wäre, die Transportstrecke zu verringern oder überhaupt wegzulassen. Durch die optimale Arbeitsteilung werden alle Ressourcen in einer Lieferkette, im Besonderen in der Produktion, möglichst gleichmäßig belastet. Zum Beispiel kann ein Auto nur dann vom Laufband rollen, wenn die Räder zuvor schon geliefert und montiert wurden.
Expertinnen für Bewegungsabläufe und Arbeitsteilung
Beobachtet man Ameisen beim Bau eines Ameisenhaufens, merkt man schnell, dass man es hier mit Expertinnen zum Thema Bewegungsablauf und Arbeitsteilung zu tun hat. Die zentrale Aufgabe ist der Transport der Baumaterialien wie beispielsweise Fichtennadeln vom Waldboden zum Haufen. Wenn der Transportweg durch einen abgebrochenen Ast etwa unterbrochen wird, wird umgehend eine alternative Route gewählt. Wenn ein kleiner Ast transportiert werden muss, helfen viele Ameisen zusammen. Wenn sich auf der Transportstrecke ein Hindernis befindet, reagieren die Ameisen als Gruppe und wählen ebenfalls eine alternative Route. Wenn eine Ameise gerade keine Transportaufgabe ausführt, hilft sie entweder dabei die Hauptverkehrsader aufrechtzuerhalten oder unterstützt beim Transport des kleinen Astes.
Von außen beobachtet ist der Bau eines Ameisenhaufens ein Gesamtsystem, dessen Teile sich ständig selbst optimieren. Eine Veränderung des Transportwegs wirkt sich nur lokal aus, der Bau des Haufens ist nicht gefährdet. Und die gesamte zur Verfügung stehende Arbeitskraft wird dort eingesetzt, wo in diesem Moment der höchste Bedarf besteht.
Aus dieser Beobachtung ist für die Industrie eine Erkenntnis ganz wesentlich: Die Teilsysteme optimieren sich selbstständig. Und das ist deshalb möglich, weil die Arbeitskräfte (im Beispiel: die Ameisen) miteinander kommunizieren.
Vernetzung von Mensch und Maschine
Die Arbeitskräfte in einer industriellen Lieferkette sind Menschen und Maschinen. Menschen können mit Menschen am besten kommunizieren. Bei der Kommunikation mit Maschinen gibt es schon ein paar Eingrenzungen, vor allem weil Maschinen nur eine begrenzte Zahl an Interaktionsmöglichkeiten mit dem Menschen haben. In der vierten industriellen Revolution geht es darum, diese Kommunikation grundlegend zu verbessern. Und zwar sowohl zwischen Mensch und Maschine als auch zwischen den Maschinen selbst.
Diese Vernetzung von Mensch und Maschine wird durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien und das Internet möglich.
Am Institut für Industrial Management – Industriewirtschaft der FH JOANNEUM Kapfenberg gibt es nun ein Industrie 4.0-Labor, das Möglichkeiten zur Wechselwirkung von realer Welt, Mensch und Maschine für Studierende sichtbar macht. Im Labor befinden sich zwei Modelle von realen Produktionsanlagen, die Vorgänge in der realen Welt (zum Beispiel die Montage einer Schraube) entweder selbst durchführen oder die Korrektheit der Montage überprüfen. Alle Daten werden im System gesammelt, ausgewertet und können sich je nach Einstellungen auf den weiteren Produktionsprozess auswirken.
Das Ziel ist, die Studierenden aktiv in diese Welt zu begleiten und ihnen ein Gefühl für die unzähligen Möglichkeiten dieser vernetzten Welt zu geben – einer Welt mit neuen und hochspannenden Geschäftsmodellen. Die vierte industrielle Revolution bietet uns die einzigartige Chance, um den Wirtschaftsstandort Österreich für die Zukunft abzusichern. Wir freuen uns jederzeit über einen Besuch in Kapfenberg.