Cremer, der mehr als 40 Jahre lang als Pressefotograf gearbeitet hat und nach ersten Aufträgen für das Time Magazine und den Falter vor allem die Bildsprache der Tageszeitung Der Standard seit deren Gründung 1988 maßgeblich prägte, führte bestens gelaunt durch die Geschichte der Pressefotografie und zeigte einen Ausschnitt seines eigenen Schaffens. Seine Arbeiten, für die Cremer vielfach ausgezeichnet wurde, begleiteten die österreichische Innenpolitik seit dem Kabinett Vranitzky II und bis zu Cremers Pensionierung vor drei Jahren.
Immer um besondere Perspektiven bemüht, hat Cremer über die Jahrzehnte eine Hand- und Bildschrift entwickelt, die nicht nur zutiefst journalistische sondern ebenso poetisch-künstlerische Züge trägt. Bekannt ist etwa sein Porträt des früheren SPÖ-Bundeskanzlers Werner Faymann, das Cremer vor dem Hintergrund des „Bundesadlers“ schoss – Faymann „wuchsen“ am Kopf eine Krone und Hammer und Sichel an den Ohren. Der SPÖ gefiel damals gar nicht, dass der Kanzlerr „geadlert“ wurde. Bilder sollen Geschichten erzählt, sagt Cremer, lieber Rätsel aufgeben und Fragen aufwerfen als glatte Oberflächen anzubieten, wie das die Fotos tun, mit denen die Pressestellen der Ministerien und Parteien seit einiger Zeit die Redaktionen fluten. Nicht nur deshalb ginge es der Pressefotografie derzeit schlecht, sondern auch wegen der angespannten Marktsituation. Sowohl der Abo- als auch der Werbemarkt brechen weg, bei Fotografen werde als erstes gespart.
Mit Tipps für alle, die selbst daran denken, den Berufsweg des Pressefotografen einzuschlagen endete der Abend, der für 40 Studierende der FH JOANNEUM zum Programm einer Lehrveranstaltung zu Medien- und Bildtheorien zählte. Davor gab es außerdem eine Führung durch die u.a. von Eva Tropper kuratierte Ausstellung „Alles Arbeit“, die die fotografische Repräsentation von Frauenarbeit in den 50er- und 60er-Jahren anhand des Fotoarchivs von Egon Blaschka thematisiert. Cremers aufmunterndes Resümee am Ende eines kurzweiligen Abends: „Fotografie macht Spaß!“