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Vom eigenen Gewinn und Verlust der anderen

Eva-Maria Kienzl
Professionelles Investmentmanagement in der Praxis

Andrey Popov - fotolia.de

Stephan Schulmeister ist einer der bekanntesten Ökonomen Österreichs und forschte bis 2012 beim österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Im Juni 2018 hat er an der FH JOANNEUM einen Blick auf die vergangenen hundert Jahre und die dazugehörigen Wirtschaftstheorien in Europa geworfen und die Auswirkungen aktueller Ansätze für zukünftige Systeme behandelt.

Erkenntnisse der Astrophysikerinnen und -physiker verändern den Lauf der Himmelskörper nicht. Anders ist es bei ökonomischen Theorien: Setzt sich ein Ansatz durch wird die wirtschaftliche Realität beeinflusst. Das macht die ökonomische Arbeit ungemein spannend. Stephan Schulmeister behandelte im Vortrag einige gängige Theorien anhand konkreter Beispiele. Ein kurzer textlicher Einblick und der gesamte Vortrag als Tonmitschnitt.

Realkapitalismus
Staat und Markt ergänzen sich – Akteurinnen und Akteure in der Wirtschaft sind nach dem englischen Ökonom John Maynard Keynes nicht reine Individuen mit eigenen Interessen, sondern stehen in Beziehungen zueinander. Gleichzeitig vertrat der britische Wirtschaftswissenschaftler die These, dass Kapitalismus von sich heraus Krisen produziert. Seine kritische Haltung gegenüber Finanzspekulation war beeinflusst durch die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und den damaligen Börsenkrach. Die wirtschaftliche Spielanleitung für die 50er und 60er Jahre war es daher dem Keynesianismus folgend, Finanzmärkte anders zu behandeln als Gütermärkte. Strikte Regulierung, feste Wechselkurse, ein niedrigerer Zinssatz als die wirtschaftliche Wachstumsrate und Rohstoffpreise, die gebunden an den Dollar stabil sind, machten Profite in der Finanzwirtschaft kaum möglich. Der Fokus und das Gewinnstreben der Unternehmen konnte sich daher im Wesentlichen nur in der Realwirtschaft entfalten – Stephan Schulmeister nennt dies Realkapitalismus.

Finanzkapitalismus
Dem Realkapitalismus entgegengesetzt ist der Finanzkapitalismus. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist wohin das Profitbestreben durch Anreize gelenkt wird: Bei der Finanzwirtschaft verlagert es sich auf Veranlagungen und Spekulation. Die gefährliche Wechselwirkung dabei: Je mehr Spekulation an Bedeutung gewinnt, desto stärker schwanken fundamental wichtige Preise wie Wechselkurse, Aktienkurse oder Zinssätze – nur so kann Profit gemacht werden. Allerdings bedingt ein Gewinn auf dem Finanzmarkt immer auch einen Verlust der anderen. Je mehr das Gegenüber verliert, desto mehr kann man selbst gewinnen.

„Stephan Schulmeister ist ein brillanter Ökonom und Analytiker und bekannt für seine herausragenden Denkansätze und Theorien, die häufig dem Mainstream der Volkswirtschaftslehre widersprechen. Damit stehen sie teils im Gegensatz zu den gelehrten Inhalten an Universitäten und Fachhochschulen. Gerade im Zuge eines Studiums sollten Studierende aber eine ‚360 Grad‘-Perspektive auf die behandelten Themen erhalten. Durch den Vortrag wurde dies ermöglicht“, freut sich Michael Murg, Leiter des Instituts Bank- und Versicherungswirtschaft.

Tipp

Die Veranstaltung wurde vom Institut Bank- und Versicherungswirtschaft in Zusammenarbeit mit der Grazer Wechselseitigen, dem Finance Club Graz und dem Alumniclub Bank- und Versicherungswirtschaft umgesetzt. Es gibt im Rahmen der Vortragsreihe regelmäßig Vorträge zu aktuellen Themen des Instituts. Geplant sind als kommende Abendveranstaltungen Besuche von Expertinnen und Experten zur neuen EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie und Bankenratings.

Stephan Schulmeister bei der Veranstaltung an der FH JOANNEUM. (© FH JOANNEUM)

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