In den Achtzigerjahren war das Internet nur wenigen Nutzerinnen und Nutzern vorbehalten. Heute ist es aus unserem täglichen Gebrauch nicht mehr wegzudenken und die Vernetzung ist allgegenwärtiger Bestandteil der Lehre. Jutta Pauschenwein, Leiterin der Abteilung ZML – Innovative Lernszenarien, gibt einen Einblick in ihren spannenden Werdegang – vom Physikstudium über den Aufbau der virtuellen Universität Graz bis hin zur leitenden Expertin im Bereich E-Learning und digitales Lernen an der FH JOANNEUM.
Vom Studium der Physik zur internationalen Expertin in Online-Lehre und E-Learning
Im Gespräch: Jutta Pauschenwein Jutta Pauschenwein, Christina Mossböck & Linda Michelitsch, 03. April 2018Christina Mossböck: Wann war Ihr erster Kontakt mit E-Learning und wie genau sah dieser aus?
Jutta Pauschenwein: Meinen ersten Kontakt mit E-Learning hatte ich bereits bevor es den Begriff E-Learning überhaupt gab. Ich studierte „Theoretische Physik“ an der Uni Graz und damals schon, 1986, schrieben wir Mails und chatteten miteinander. Es gab bereits eine Vorform des Internets – jedoch nur für die Physikerinnen und Physiker – und das war ziemlich cool.
Einen grafischen Bildschirm, so wie heute, gab es allerdings noch nicht. Das heißt, bei einem Chat wurde der schwarze Screen in vier bis sechs Kästen unterteilt und die Worte flogen zeitgleich aus allen Richtungen herein. Wir Studierenden kamen uns ultraelitär vor. Ich glaube wir waren ziemlich eingebildet und hätten niemals gedacht, dass das Internet einmal allen zur Verfügung stehen würde.
Christina Mossböck: Sie sind schon ziemlich früh ans ZML gekommen. Wie war Ihr Anfang hier?
Jutta Pauschenwein: Da muss ich zuerst noch etwas weiter ausholen: Nach meiner Dissertation an der Uni Graz arbeitete ich dort im Bereich E-Learning, das immer noch nicht E-Learning hieß. Beispielsweise programmierten wir schon 1997 eine virtuelle Uni Graz. Anscheinend gefiel das der FH JOANNEUM so gut, dass mir 1999 eine Stelle am ZML angeboten wurde. Da ich an der Uni Graz schon mit unterschiedlichen Instituten und Leuten aus verschiedensten Fächern gearbeitet habe, bekam ich an der FH JOANNEUM den Auftrag den „Virtuellen Campus“ zu betreuen. Damals gab es erst fünf Studiengänge an der Fachhochschule.
Christina Mossböck: Das heißt, Sie hatten an der FH JOANNEUM die wichtige Aufgabe, E-Learning zu gestalten und zu unterstützen, übernommen. Ist der Arbeitsaufwand seit 1999 mehr geworden?
Jutta Pauschenwein: Mittlerweile gibt es an der FH JOANNEUM wesentlich mehr Studiengänge und Lehrgänge, die das ZML-Team betreut, daher ist die Arbeit natürlich sehr viel mehr geworden. Doch ich bin auch froh, dass E-Learning in den letzten zehn Jahren so enorm zugenommen hat. 1999 war es mein Job zu allen Studiengangsleitungen zu gehen und dort Werbung für E-Learning zu machen. Natürlich gab es auch damals schon engagierte Lehrende, die sich dafür interessierten, doch in den Studiengängen selbst war E-Learning überhaupt nicht etabliert und die Studierenden waren Vollzeit-Studentinnen und -Studenten. Die Anfänge des E-Learnings waren eine mühsame Zeit. Das änderte sich schlagartig, als der erste berufsbegleitende Studiengang „Software Design“ an der FH JOANNEUM startete. Plötzlich brauchte man das ZML und unser Know-how ganz dringend.
Christina Mossböck: Sie haben schon sehr viele Forschungsfelder unter die Lupe genommen. Welches davon hat Ihnen am meisten Spaß gemacht und wo haben Sie viel gelernt?
Jutta Pauschenwein: Was ich am meisten schätze und wo mein Herz wirklich aufgeht, sind meine Online-Gruppen, welche ich in unterschiedlichen Größen und zu ganz unterschiedlichen Themen betreue. Ich den letzten Jahren lerne ich über Gruppendynamik in vielen verschiedenen Projekten, vor allem im Bereich der MOOCs (Massive Open Online Courses). Gemeinsam mit zehntausenden von Leuten beschäftige ich mich mit spannenden Themen, wie Social Network Analysis, Creativity oder Intrapreneurship. Dieses Wissen durfte ich dann an der FH JOANNEUM implementieren und in einem 2014 an der FH JOANNEUM gebauten MOOC umsetzen – mit damals 500 weltweiten Lernerinnen und Lernern sowie unseren eigenen Studierenden. Es war lustig und gleichzeitig auch spannend, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit der internationalen Vernetzung zu bieten und auch selbst studiengangsübergreifende Themen zu finden.
Christina Mossböck: Das heißt, das ZML und Sie waren schon immer ganz vorne dabei.
Jutta Pauschenwein: Einen Trend vorab zu erkennen, ist schwierig. Doch ich selbst und auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen am ZML sind nicht nur beruflich, sondern auch privat gerne online unterwegs. Dabei nehmen wir wahr, was in den Sozialen Medien passiert und in welche Richtung es geht. Diese Erfahrungen fließen dann ganz von alleine in unsere Trainings, unsere Betreuungen und in den Support, den wir den Lehrenden, Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Studierenden bieten, ein. Das für mich Innovativste, das ich in den letzten Jahren gelernt habe, passierte in MOOCs – hier habe ich beispielsweise begonnen Comics zu zeichnen. Seither setze ich diese ganz begeistert ein: zur Strukturierung meiner Lehrveranstaltungen, aber auch, um Aufgaben klarer zu machen. Das klappt wunderbar. Die Studierenden verstehen besser, was sie zu tun haben. Diskussionen zur Aufgabenstellung, wie es sie früher oft gab, fallen seither weg. Zwei- bis dreimal im Jahr biete ich auch einen Workshop zum Thema „Comics als Motivationswerkzeuge in Online-Lernprozessen“ an. Daran nehmen Lehrende teil, die dieses Werkzeug auch im eigenen Unterricht einsetzen möchten. Erwähnen möchte ich auch, dass ich kein großes Zeichentalent bin. Man muss also nicht zeichnen können, um dennoch Comics zu erstellen und damit zu arbeiten.
Christina Mossböck: Das ist gut zu wissen. Eine letzte Frage noch: Die Zukunftsaussichten der Lehre – wie schauen diese Ihrer Meinung nach aus?
Jutta Pauschenwein: Ich verfasse gerade einen Artikel für das Buch „Zukunft der Hochschule“ aus dem Springerverlag, in dem ich die Frage stelle, ob die Zukunft der Hochschullehre digital ist. Gemeinsam mit einem Co-Autor, Gert Lyon, Psychiater und Psychoanalytiker, diskutierte ich die Rolle der Digitalität intensiv. Ich persönlich glaube, dass Online-Lernprozesse immer wichtiger und besser unterstützt werden, und dass Beziehung auch online entstehen kann – eine Beziehung die ich mit meinen Studierenden und Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sehr schätze. Dass Online-Begegnungen natürlich anders sind als Face to Face-Begegnungen, steht außer Frage. Beides hat seine Vorteile und Schwächen.
Das Video-Interview: