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Wöchentlicher Börsenbrief #14

FH JOANNEUM, 03. Juli 2023
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in die Woche aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Der Altmeister und ein Überraschungskandidat

Das erste Halbjahr 2023 ist bereits wieder vorbei. Ich sitze gerade in meinem Lesesessel und trinke meinen Espresso, der mir neue Lebensenergie einhaucht. Nach dem verkorksten 2022er Jahr ergeht es dem Finanzmarkt gerade ähnlich. Es zeichnet sich ein positives Bild ab. Die Aktienmärkte sind zweistellig im Plus. Besonders positiv hat sich die Technologiebörse Nasdaq entwickelt. Und ja, bevor ich es vergesse, es gab auch einen Überraschungskandidaten, den wohl fast niemand auf der Rechnung hatte. Japanische Aktien erleben gerade ein kleines Revival. Die Performance des Nikkei-225 liegt heuer annähernd auf dem Nasdaq-Niveau. Für langfristig orientierte Investor:innen ist das aber nur ein schwacher Trost. Der japanische Markt erlebte Ender der 1980er Jahre einen waren Hype. Obwohl der Index heuer um mehr als ein Viertel zulegen konnte, liegt der Index noch immer unter dem Niveau von damals. Wenn jemand an der Spitze der Blase eingestiegen ist, hat er in mehr als 30 Jahren kein Geld verdient. Im Vergleich dazu hat sich der amerikanische S&P 500 in dieser Zeitspanne nahezu versechsfacht. Noch ausgeprägter war das Comeback des Bitcoins, der sich seit Ende 2022 nahezu verdoppeln konnte. Im Vergleich zum Höchststand vom Oktober 2021 hat sich der Wert eines Bitcoins aber trotzdem mehr als halbiert.

2023 feiern auch Anleihen wieder ein Comeback. Nach trostlosen Jahren gibt es endlich wieder Zinsen. Spannend finde ich, dass Investor:innen gegenwärtig verstärkt Anleihen von Peripherieländern suchen. Der Risikoaufschlag von italienischen Staatsanleihen im Vergleich zu ihrem deutschen Pendant ist heuer um 0,5% zurückgegangen. Interessanterweise nimmt aber der Risikoappetit der Investor:innen trotz einer spürbar abnehmenden Wirtschaftsdynamik zu. Der Rohölpreis ist in diesem Zusammenhang ein guter Indikator. Wenn der Wirtschaftsmotor stockt, sinkt die Nachfrage nach Öl und damit auch der Preis. 2023 ist der Rohölpreis der Marke Brent um über 10% zurückgegangen.

Irgendwie erleben wir gegenwärtig einen Bullenmarkt, der sich überhaupt nicht so anfühlt. Viele Marktteilnehmer:innen hat es im ersten Halbjahr am falschen Fuß erwischt. Es gibt geopolitische Risiken, ein stark stotternder Konjunkturmotor und darüber hinaus noch hohe Inflationszahlen, die trotz der Interventionen der Notenbanken nicht so recht in den Griff zu bekommen sind. Die New Yorker Fed stuft beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet, auf rund 70% ein. Diese Woche sind auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Klaus Neusser mit den neuesten Prognosen herausgekommen. Für 2023 lässt die hohe Inflation die Steuereinnahmen sprudeln. Die Forscher führen aber auch ins Feld, dass sich die heimische Wirtschaft in einer Stagnationsphase befindet und mit höheren Zinsen und einer hohen Unsicherheit zu kämpfen habe. Dadurch werde die private Investitionstätigkeit zurückgefahren und das wiederum senkt die Wachstumsaussichten. Für das heurige Jahr rechnen die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute mit Wachstumszahlen knapp über der Null-Linie. Auch in Bezug auf die Einschätzung der Inflation ist man sich einig. Für heuer wird mit einer Teuerungsrate von 7,5% gerechnet. Erst im nächsten Jahr soll sie auf 3,8% bis 4% sinken.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der aktuelle ZEW-Finanzmarkttest, der Analyst:innen und Wirtschafts- und Finanzexpert:innen über ihre Einschätzung befragt. Die aktuelle Einschätzung zur Konjunktur ist negativ. Die Befragt:innen gehen mehrheitlich davon aus, dass in den nächsten Monaten die Lage unverändert ist oder sich sogar noch verschlechtert. Bei der Inflationsrate ist man sich hingegen einig. Mehr als 80% der Befragt:innen gehen davon aus, dass die Teuerungsrate in den USA und im Euroraum zurückgehen wird. Spannend finde ich auch die Einschätzung in Bezug auf das Risiko und Ertragsprofil einzelner Anlageklassen. Für ein globales Aktieninvestment, Staatsanliehen, Unternehmensanleihen und Gold wird ein positives Stimmungsbild attestiert. Bei Immobilien und Kryptowährungen sind die Befragt:innen im Gegensatz dazu mehrheitlich negativ gestimmt.

Diese Woche haben sich auch Notenbanker:innen beim EZB-Forum getroffen und über ihre Einschätzung diskutiert. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwartet zwar einen Rückgang der Inflation. Die Marktteilnehmer:innen gehen aber von weiteren Zinserhöhungen aus. Auch Fed-Präsident Powell erwartet sich noch zwei weitere Zinsschritte.

Abschließend machen wir noch einen Blick auf die Positionierung des Altmeisters Warren Buffet. Zu den absoluten Top-Holdings gehört Apple. Buffet war lange Zeit sehr technologieavers eingestellt und ist erst sehr spät auf den Zug aufgesprungen. Jetzt aber dafür mit einer ordentlichen Gewichtung. Von Diversifikation hat der Altmeister Zeit seines Lebens nie wirklich viel gehalten. Apple ist mittlerweile eines seiner erfolgreichsten Investments der letzten Jahrzehnte. Ob dieser Trend anhalten wird, wird uns erst die Zukunft weisen.

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