Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in die Woche aus erfrischend neuen Blickwinkeln.
Wöchentlicher Börsenbrief #16
Dr. Josef Obergantschnig, 13. Juli 2023Gegen wen selbst Apple alt aussieht
Dieser Tage verweilen meine Familie und ich in Italien. Als Espresso-Liebhaber zieht es mich immer wieder in das kleine Café um die Ecke. Der Espresso ist stark und energieeinflößend. An den Börsen steht die nächste „Earning-Season“ vor der Tür. Das sind jene Wochen, in denen die Unternehmen ihre Quartalszahlen offenlegen und über den Geschäftsverlauf berichten. Der Ausblick ist aufgrund der wirtschaftlichen Abwärtsdynamik etwas verhalten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat Investor:innen befragt, wann die Gewinne ihrer Einschätzung nach den Tiefpunkt erreicht haben. Über die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Unternehmensgewinne frühstens im 4. Quartal 2023 wieder wachsen werden.
Obwohl die Unternehmensgewinne für das 1. Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 10% eingebrochen sind, sind die Börsenkurse weiter nach oben geklettert. Der Nasdaq-100 hat das erfolgreichste Halbjahr seiner Geschichte erlebt und konnte um knapp 40% zulegen. Das ist damit sogar mehr als in der Blütephase der Internetblase kurz vor der Jahrtausendwende. Investor:innen sollten sich aber auch bewusst sein, dass die Performance aktuell von lediglich wenigen Tech-Unternehmen getragen wird. Der breite Markt hinkt im Vergleich dazu deutlich hinterher. Das betrifft auch den österreichischen Aktienmarkt. Der ATX feierte vor wenigen Tagen ein Jubiläum. Vor mittlerweile 16 Jahren hat der österreichische Leitindex während des Handelstages die 5.000er Schwelle erklommen und damit seinen bis damals unerreichten Höchststand. Nur zum Vergleich sei festgehalten, dass sich der S&P 500 seit damals, dank Technologieunternehmen, nahezu vervierfachen konnte. Eines hat uns die Börse aber immer wieder gelehrt: Die Gewinner von heute müssen nicht zwingend die Gewinner von morgen sein.
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, welches Unternehmen überhaupt am profitabelsten ist und die höchsten Gewinne einfährt? Das profitabelste US-Unternehmen ist Apple. Der Tech-Gigant, der an der Börse vor wenigen Tagen als erstes Unternehmen die 3-Billionen-US-Dollar Schallmauer durchschreiten konnte, hat 2022 einen jährlichen Gewinn von $99,8 Milliarden ausgewiesen. Grund dafür ist vor allem die hohe Gewinn-Marge von 43%. Dahinter folgt der Energieriese Exxon-Mobile mit $55,7 Milliarden. Für Exxon war 2022 aber mit Sicherheit ein Ausnahmejahr. Im Vergleich zu 2021 konnten die Gewinne um 141,9% gesteigert werden. Grund dafür waren die stark steigenden Energiepreise. Auf Platz drei folgt mit JPMorgan Chase ein Vertreter aus dem Finanzsektor. Das Unternehmen hat 2022 Gewinne von $37,7 Milliarden einfahren können. Mit dem Pharmakonzern Pfizer ($31 Mrd.) und Verizon Communications ($21,3 Mrd.) schaffen es auch noch Unternehmen aus anderen Sektoren in die Top-5. Spannend finde ich, dass es mit Tesla auf Rang 9 mit $12,6 Milliarden lediglich ein weiteres Tech-Unternehmen in die Top-20 der profitabelsten US-Unternehmen geschafft hat.
Das sind unfassbare Zahlen. Um das noch ein bisschen zu verdeutlichen, bleiben wir noch einmal bei Apple. Das Unternehmen verdiente 2022 knapp 100 Milliarden US-Dollar. Das sind umgerechnet $273,4 Millionen pro Tag, $11,4 Millionen pro Stunde, $190 Tausend pro Minute oder $3.165 pro Sekunde. Um einen derart hohen Gewinn zu erwirtschaften, braucht Coca-Cola mehr als 10 Jahre, McDonalds mehr als 15 Jahre und Netflix sogar mehr als 20 Jahre. Es gibt aber noch ein Unternehmen, welches selbst das Unternehmen im kalifornischen Cupertino alt aussehen lässt. Der saudi-arabische Ölkonzern Aramco hat für 2022 einen Rekordgewinn verzeichnet und einen Überschuss von 161 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Insofern ist es wahrscheinlich wenig verwunderlich, dass Saudi-Arabien seit jüngstem zum Paradis für Fußballer mutiert und Altstars mit aberwitzigen Summen anlockt. Ob Christiano Ronaldos Prognose aufgeht und die Saudi Pro League bald zu den Top-4 Ligen der Welt gehören wird, wage ich dennoch zu bezweifeln.