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Wöchentlicher Börsenbrief #22

Dr. Josef Obergantschnig, 25. September 2023
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in die Woche aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

36% Lohnerhöhung und ein schwächelnder Wachstumskaiser

Die Leitzinsen in den USA sind auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Beim Verfassen dieser Zeilen trinke ich gerade meinen Espresso und muss unweigerlich schmunzeln. Vermutlich habe ich das auch vor 20 Jahren gemacht. Damals waren die Aktienmärkte nach einem mehr als dreijährigen Bärenmarkt am Boden. Und genau in dieser Phase braucht jede:r Fondsmanager:in einen Energieschub. Aber kommen wir zurück zur amerikanischen Notenbank, die diese Woche tagte. Fed-Präsident Jerome Powell hat wie erwartet nicht an der Leitzinsschraube gedreht. Ob nach mittlerweile elf Zinserhöhungen in den letzten eineinhalb Jahren auch noch eine zwölfte bevorsteht, steht noch in den Sternen. Die Notenbanker befinden sich im Wartemodus und wollen erst einmal „überzeugende Beweise“ sehen, dass das Zinsniveau hoch genug ist, um die Inflationsrate wieder auf das gewünschte Niveau zu bringen.

Inflationstreiber sind hier auch die Löhne. Laut einer Analyse der Federal Reserve Bank in Atlanta sind die durchschnittlichen Löhne im August um 6% gestiegen. In der Automobilbranche und in Hollywood wird gestreikt. Die „Auto Worker“ fordern mit freundlicher Unterstützung von US-Präsident Joe Biden sogar Lohnerhöhungen im Ausmaß von 36% in den nächsten vier Jahren. Die ehemalige Fed-Präsidentin und jetzige Finanzministerin Janett Yellen meldete sich auch zu Wort und erwartet eine „weiche“ Landung der US-Wirtschaft. Sie sieht eine „Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt, die auf gesunde Weise stattfindet und nicht in Massenentlassungen einhergeht“. Sie fordert die Autogiganten und die Autogewerkschaft UAW zu aktiven Verhandlungen auf, „um einen fairen Deal zu erzielen.“

In diesem Umfeld ist es wenig überraschend, dass 12 von 19 Fed-Mitgliedern angeben, im heurigen Jahr mit einer weiteren Zinserhöhung zu rechnen. Es scheint aber klar zu sein, dass wir uns am Ende des Zinserhöhungszyklus befinden. Zinssenkungen könnten aber noch etwas länger auf sich warten lassen.

Hinter den USA ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist ins Stottern geraten. Laut Einschätzung der OECD ist das anhaltend schwache Wachstum in China eines der zentralen Risiken für die Weltwirtschaft. Zu den großen Herausforderungen zählen die hohe Verschuldung und der schwächelnde Immobiliensektor. Die USA ist seit den 1870er Jahren die größte Volkswirtschaft der Welt. Bereits in den nächsten 10 bis 15 Jahren könnte China trotz der aktuellen Schwächephase die USA überholen. Das wiederum sorgt für Spannungen zwischen den beiden Kontrahenten. China war der größte Käufer amerikanischer Staatsanleihen. Aktuell besitzt China Anleihen im Ausmaß von $835 Milliarden. Das ist um knapp $500 Milliarden weniger als vor 10 Jahren. Insofern ist das beachtlich, da sich die Staatsschulden in der gleichen Zeitspanne verdoppelten.

Kommen wir nun zu den Aktienmärkten. Die Performance der großen Aktienindizes wird nur von wenigen Titeln getragen. Lediglich 10 Unternehmen zeichnen sich für 80% der Wertentwicklung der Technologiebörse Nasdaq verantwortlich und diese 10 Unternehmen vereinnahmen 34% der Marktkapitalisierung des S&P 500. In den aktuellen Kursen spiegelt sich auch die Euphorie und der Optimismus der Investor:innen wider. Während der Gesamtmarkt mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25 bewertet ist, sind jene 10 Unternehmen mit einem KGV von 50 doppelt so teuer. Der Börsenwert entspricht damit dem 50fachen Jahresgewinn oder anders formuliert: Ein:e Investor:in muss gegenwärtig $50 bezahlen, um $1 Gewinn zu erhalten.

Spannend finde ich auch die Frage, welche Märkte heuer die beste Wertentwicklung erzielen konnten. Bei den Länder-ETFs führt das Feld überraschenderweise Argentinien mit 34,7% vor Griechenland (32,5%) und Nigeria (29,8%) an. Das Schlusslicht bilden Hong Kong (-15,2%), Pakistan (-12,6%) und Thailand (-9,6%).

Wie sehen es die Fondsmanager:innen? Laut einer aktuellen Umfrage der BofA sind die Fondsmanager:innen nach wie vor optimistisch für die Big-Techs. In Bezug auf chinesische Aktien hat sich das Stimmungsbild innerhalb der letzten Wochen gewandelt. Die Positionierung scheint klar zu sein: Long Big-Tech und Short China!

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