Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.
Wöchentlicher Börsenbrief #29
FH JOANNEUM, 10. November 2023Jede Zeit hat ihre Helden
Während ich meinen Espresso trinke und meine Gedanken schweifen lasse, muss ich schmunzeln. Wenn ich so darüber nachdenke, haben meine beiden Kids durchaus die eine oder andere Gemeinsamkeit mit der Investoren-Legende Warren Buffet. Meine Tochter, mein Sohn und der liebe Warren stehen auf Cola. Im Falle von Warren als trinkender Konsument und Großaktionär. Aktuell besitzt er 9,25% des Unternehmens und ist damit vor Vermögensverwaltern Vanguard (8,51%) und BlackRock (4,58%) der größte Anteilseigner. Das Unternehmen wurde 1919 gegründet und beschäftigt gegenwärtig 82.500 Mitarbeiter:innen. Bei einem Umsatz von $45 Milliarden bleiben $10,77 Milliarden Gewinn übrig. Und davon fließt knapp $1 Milliarde in die Taschen des lieben Warren.
Jede Dekade hat ihre Börsehelden. In den 1950ern waren europäische Aktien hoch im Kurs. Die 1960er waren die Zeit der „Nifty-Fifty“. Darunter versteht man eine Gruppe von 50 großen Blue-Chip-Aktien, die durch stabile Gewinne, solide Wachstumsaussichten und hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) charakterisiert werden können. Und ja, Sie werden es vermutlich schon erahnen, auch Coca-Cola gehörte zu den heiß begehrten „Nifty-Fifty“-Aktien. In diesem selektiven Kreis fanden sich auch andere prominente Namen wie z.B. IBM, McDonald’s, Johnson & Johnson, General Electric, Xerox oder auch Kodak wieder. In den 1970ern verlagerte sich der Fokus der Investoren auf Schwellenländer und Rohstoffe. Der Ölpreis stieg von $3,35 auf $32,5 pro Barrel.
Die 1980er Jahre standen im Zeichen Japans. 1989 hat die Börse in Tokio 41% der weltweiten Marktkapitalisierung für sich vereinnahmt. Die goldenen Jahre sind hier schon lange vorbei. Japanische Unternehmen werden gegenwärtig mit 6,13% im MSCI World gewichtet. Eine höhere Gewichtung weist nur die USA auf. Mit einer Gewichtung von 70,08% spielt Uncle Sam aber definitiv in einer anderen Liga. In den 1990ern war die Zeit der Technologieunternehmen. In der Blütephase der Tech-Blase habe ich meinen ersten Job im Finanzbereich angetreten. Die ersten Jahre waren bombastisch, die Folgejahre nach dem Platzen der Blase der blanke Horror.
In den 2000ern war wieder die Zeit der Emerging Markets und Rohstoffe. BRICS-Länder – also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – waren das beliebte Ziel vieler Investor:innen. Durch die Globalisierung und die hohen Wachstumsraten in diesen Ländern wurden viele Marktakteure in eine Goldgräberstimmung versetzt. Und in den 2010er Jahren war definitiv die Zeit der amerikanischen „Mega-Caps“. Unternehmen wie Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google, die unter dem Synonym „FAANG“ zusammengefasst werden, erreichten bisher ungekannte und unerreichte Höhen. Welche Investment-Themen in den 2020ern im Fokus stehen werden wage ich noch nicht vorauszusagen. Eines hat die Historie aber immer wieder gezeigt. Themen kommen in den Fokus, verschwinden aber auch wieder in der Versenkung.
Kommen wir noch zu den Märkten. Das Jahr 2023 geht in die finale Phase. Die Stimmung an den Aktienmärkten hat sich wieder signifikant gebessert. Bei der Performance gibt es aber große Unterschiede zu beobachten. Während die Technologiebörse Nasdaq seit Jahresbeginn mehr als 30% zulegen konnte, liegt der Dow Jones Index sowie der österreichische ATX nur knapp über der Nulllinie. Chinesische Aktien liegen sogar im negativen Bereich. Auf der Anleihenseite sind die Renditen wieder etwas gesunken. Mit Anleihen – allen voran jene mit langen Laufzeiten – haben Investor:innen in den letzten Jahren viel Federn lassen müssen. Ich habe aber gelernt, dass die vergangene Performance kein guter Einstiegsindikator ist. Oftmals sind die Verlierer von heute die Gewinner von morgen! Vielleicht haben meine Kinder neben der Cola-Liebe auch ein ähnlich geschicktes Händchen beim Investieren wie der liebe Warren. Die Chance ist vermutlich gering, aber träumen wird man ja noch dürfen.