Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.
Wöchentlicher Börsenbrief #50
FH JOANNEUM, 12. April 2024Von Zinskurven und Goldrausch: Finanzmärkte in Bewegung
Diese Woche war ich wieder einmal auf Roadshow. Der Fonds-Dialog von e-fundresearch ist für mich immer ein besonderes Highlight. Gemeinsam mit Expert:innen internationaler Asset-Manager war ich in Graz, Wien und Salzburg unterwegs. Aufgrund des dichten Programms ist auch mein ohnehin schon hoher Espresso-Konsum weiter in die Höhe geschnellt. Die Grundstimmung unter Österreichs Finanzexpert:innen ist weiterhin positiv. Gerade der Anleihenbereich, der in den letzten Jahren durch die Niedrigzinsphase nicht wirklich attraktiv war, rückt immer stärker in den Fokus. Es gibt ja schließlich wieder Zinsen.
Spannend finde ich, dass diese Einschätzung auch von 20 international agierenden Finanzinstituten geteilt wird. Ausgenommen davon sind lediglich Geldmarktveranlagungen und Cash. Und das ist beachtlich. Schließlich haben aktuell 30 Länder eine inverse Zinskurve. Das bedeutet, dass Investor:innen für eine kürzere Zinsbindung einen höheren Ertrag erhalten als für eine langfristige Veranlagung. Insofern wirft eine Festgeldveranlagung mit beispielsweise dreimonatiger Zinsbindung einen höheren Ertrag ab als eine Anleihe mit 10-jähriger Restlaufzeit. Klar ist aber auch, dass bei einer kurzfristigen Veranlagung auch ein Wiederanlagerisiko besteht. Das bedeutet, dass der höhere Zinssatz nur für drei Monate fixiert werden kann. Danach muss sich der Investor neu orientieren und sein Geld mit den dann vorherrschenden Konditionen weiterveranlagen. Bei inversen Zinskurven geht der Markt davon aus, dass die Wirtschaft überhitzt ist und die Notenbanken in absehbarer Zeit die Zinsen senken werden.
Die EZB hat am Donnerstag eine Sitzung abgehalten und die Leitzinsen erneut unverändert gelassen. Die Signale sind aber eindeutig. Viele Marktteilnehmer:innen – und ich teile diese Ansicht zu 100% – gehen davon aus, dass in der Juni-Sitzung EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Zinssenkung verkünden wird. An den Märkten wird dieses Szenario mittlerweile mit 90% Wahrscheinlichkeit eingepreist.
Spannend finde ich, dass mittlerweile viele davon ausgehen, dass die EZB bereits vor der amerikanischen Notenbank den Zinssenkungszyklus einleiten wird. In den USA deuten schließlich die jüngsten Inflationszahlen darauf hin, dass die Notenbanker:innen vielleicht doch noch einmal genauer die Rahmenbedingungen unter die Lupe nehmen sollten. Vor nicht allzu langer Zeit ging der Markt noch von drei Zinssenkungen für 2024 aus, mittlerweile sind es nur mehr zwei. Die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zinsschritt im Juni hat sich von ziemlich sicher auf 50% reduziert. Und genau dieses Szenario spricht für eine kurzfristige Zinsbindung. Bei einer längeren Duration fixiere ich mir den Zinssatz über einen deutlich längeren Zeitraum. Und das ist, im Falle eines durch die Notenbanken ausgelösten fallenden Zinsszenarios, natürlich von Vorteil. Als Investor kauft man sprichwörtlich den Spatz in der Hand und nicht die Taube auf dem Dach.
An den Aktienmärkten waren viele Jahre vor allem Technologietitel die absoluten Performance-Treiber. Dieser Sektor hat schließlich in den letzten Jahren eine beeindruckende Performance erwirtschaften können. Aber ohne Beimischung von Technologieunternehmen hat es für Investor:innen nur halb so viel Spaß gemacht. Schließlich haben nur wenige Titel den Gesamtmarkt deutlich nach oben gezogen. Hier ist aber nahezu unbemerkt ein Trendwechsel eingetreten. Der breite Markt hat im 1. Quartal 2024 den Technologiesektor outperformt. Damit hat der Aufwärtstrend definitiv an Breite gewonnen. Und das ist auch gut so.
Kommen wir abschließend noch zum Goldpreis, der ein neues All-Time-High erklommen hat. Gold ist für mich ein Synonym für ein krisensicheres Investment, welches im „Normalfall“ gut läuft, wenn risikobehaftetere Assetklassen wie z.B. Aktien Federn lassen müssen. Der Goldpreis hat mit Sicherheit auch davon profitiert, dass die Hoffnung auf Zinssenkungen sehr groß waren und nach wie vor sind. Nachdem der Goldpreis per se keine Zinsen abwirft, reduzieren sich bei fallenden Zinsen auch die Opportunitätskosten im Vergleich zu einer zinsbringenden Veranlagung. Fakt ist aber definitiv, dass die gefühlten Unsicherheiten an den Märkten zunehmen. Auch wenn wir bei Aktien nahe an den Höchstständen notieren, fühlt es sich irgendwie nicht so an. Ich habe persönlich noch nie ein so depressives All-Time-High erlebt. Ob das gut oder auch schlecht ist, wird uns wohl erst die Zukunft weisen.