Finanzstrategien: Von Espresso bis Café Latte
Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte startet auch für viele von uns die Urlaubssaison. Auch für uns steht der Urlaub ante portas. Das ist die Zeit der Erholung und Entspannung. Für mich sind die Sommerwochen aber auch die Zeit, Vergangenes Revue passieren zu lassen und über die Zukunft nachzudenken. Es geht zwar nicht nach Italien, aber für mich gibt es dennoch keine bessere Einstimmung, als in der Morgensonne einen Espresso beim Italiener meines Vertrauens zu genießen. Ein Pärchen am Nebentisch bestellt einen Café Latte und einen doppelten Espresso. Irgendwie muss ich schmunzeln.
Diese Woche hat die Österreichische Nationalbank die aktuelle Statistik zum Finanzvermögen der privaten Haushalte publiziert. Der Espresso ist klein, dafür aber sehr stark. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das wie ein Aktieninvestment. Der Anteil am Gesamtportfolio ist zwar im Regelfall gering, der Ertragsanteil langfristig aber vermutlich sehr hoch. Der Café Latte steht für mich für ein gemischtes Portfolio. Allerdings ist hier der Sicherheitsgedanke – also der Milchanteil – besonders hoch. Die Milch repräsentiert für mich das Bargeld oder auch Einlagen oder konservative Anleihen. Wenn ich ein bisschen mehr „Pfeffer“ im Portfolio habe, muss ich auf einen Cappuccino umschwenken.
Österreichische Haushalte besitzen ein Finanzvermögen von 849 Milliarden Euro. Bei 9,2 Millionen Einwohnern entspricht das rund 92.000 Euro pro Kopf. Demgegenüber stehen Verbindlichkeiten von 214 Milliarden Euro, wovon nahezu dreiviertel auf klassische Wohnbaukredite entfallen. Rechnet man beide Positionen zusammen, bleiben in Summe 635 Milliarden Euro an Nettovermögen übrig. Das um Kredite bereinigte Gesamtvermögen beträgt damit in Österreich rund 69.000 Euro pro Kopf.
Und jetzt stellt sich natürlich auch die Frage, liebe Leserin und lieber Leser, wer von dem Pärchen den Espresso und wer den Café Latte getrunken hat? Spannenderweise korreliert das auch mit dem typischen Investorenverhalten. Männer neigen dazu, mehr Risiken einzugehen. Das erhöht langfristig die Ertragschancen, kann aber bei zu hoher Risikobereitschaft auch ziemlich ungemütlich werden. Frauen sind hier tendenziell eher konservativer. Das sorgt zwar für eine höhere Stabilität, schmälert aber auch das Ertragspotenzial.
Ein Cappuccino wird in Italien traditionell nur vormittags getrunken. Ab dem Mittagessen ist der Espresso die unangefochtene Nummer eins. Bei Veranlagungsthemen verkehrt sich das Bild. Am Morgen, also in jungen Lebensjahren, empfehle ich einen Espresso und ab dem Mittagessen einen Cappuccino. Oder anders ausgedrückt: Je geringer die Veranlagungsdauer, desto geringer das Risiko.
In Österreich gibt es rund 2,1 Millionen Wertpapierbesitzer. Bei einer langfristigen Veranlagungsstrategie und einem Schuss Espresso bin ich der festen Überzeugung, dass diese langfristig auch unter Berücksichtigung der Inflation real Geld verdienen werden. Ein schlechtes Geschäft sind aber die 336 Milliarden Bargeld und Einlagen. Ziel muss es sein, diese zu überzeugen, einen Teil in Wertpapiere umzuschichten. Selbst wenn man mit Wertpapieren real langfristig „nur“ 3 % verdient, wäre das Potenzial hier bei rund 10 Milliarden Euro. Und das wiederum entspricht rund 10 % der jährlichen Steuereinnahmen Österreichs.
Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, wünsche ich eine entspannte Zeit und erholsame Wochen. Auch meine Kolumne geht in die Sommerpause. Für mich heißt es nun Koffer packen. Aber davor genehmige ich mir noch einen Espresso.