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Wöchentlicher Börsenbrief #69

ibv@fh-joanneum.at
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Von der Internetblase zu den Glorreichen Sieben

Wenn ich müde bin, führt mein Weg oft zu meiner geliebten Espressomaschine. So wie ich mich von einem Espresso zum nächsten hangle, hangelt sich der Aktienmarkt scheinbar von einem Höchstkurs zum nächsten – selbst dann, wenn ein schwächerer Tag den Aufwärtstrend zwischenzeitlich durchkreuzt. Diese Woche wurde ich während eines Vortrags von einem Finanzexperten gefragt, welche Parallelen ich zur Internetblase rund um die Jahrtausendwende sehe. Sind die aktuellen Kurse der Börsenlieblinge gerechtfertigt oder doch übertrieben hoch?

 

Eines vorweg: Eine Börsenprognose kann ich hier nicht liefern. Zum einen liegt das an meiner Trefferquote, die der Wahrscheinlichkeit eines Münzwurfs gleicht, und zum anderen an meiner festen Überzeugung, dass in dieser global vernetzten Welt niemand die Zukunft vorhersagen kann. Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen das bereits. Klar ist jedoch, dass wir uns einmal die harten Fakten ansehen und die Top-7 des Jahres 2024 mit den Top-7 des Jahres 2000 vergleichen können. Ein Unternehmen scheint ein Evergreen zu sein, da es sowohl 2000 als auch 2024 zu den Top-Unternehmen und absoluten Börsenlieblingen zählt. Erraten Sie schon, wen ich meine?

Die Top-7 US-Aktien repräsentierten im Jahr 2000 19 % der Marktkapitalisierung des amerikanischen Aktienmarktes. Das Feld wurde damals von Microsoft mit einem Anteil von 4,5 % angeführt. Knapp ein Vierteljahrhundert später ist Microsoft auch fester Bestandteil der Glorreichen Sieben und konnte den Marktanteil sogar auf 6,6 % erhöhen. Heute führt Apple mit 7,3 % das Feld an, gefolgt von Nvidia (5,7 %), Amazon (4,0 %), Alphabet (3,9 %), Meta (2,4 %) und Tesla (1,4 %). Während der Internetblase tummelten sich neben Microsoft auch klingende Namen wie Cisco, Intel, Oracle, IBM, Lucent Technologies und Nortel unter den Top-Unternehmen. Heute repräsentieren die Glorreichen Sieben 31,3 % des Börsenwerts aller US-Aktien, damals waren es vergleichsweise „geringe“ 19 %.

 

Kommen wir zur fundamentalen Bewertung. Hier ziehe ich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) heran. Dieses Ratio gibt an, wie viel eine Investorin/ein Investor für einen Euro Gewinn aktuell an der Börse zahlen muss. Gegenwärtig ist Tesla mit einem geschätzten KGV von 55,4 am teuersten bewertet, Alphabet mit 16,6 am günstigsten. Im Schnitt sind die Glorreichen Sieben 2024 mit einem KGV von 23,9 bewertet. Das ist zwar nicht billig, aber bei weitem nicht so überteuert wie die Top-7 der Internetblase, die damals ein durchschnittliches KGV von 52 aufwiesen. Am billigsten war damals IBM mit 23,5, am teuersten Cisco mit 101,7. Kurz gesagt: Die Unternehmen haben zwar stark an Kurswert gewonnen, liefern im Gegensatz zur Jahrtausendwende aber auch ordentliche Gewinne ab.

 

Apple, Microsoft und Google haben bereits die 100-Milliarden-Dollar-Gewinnschwelle überschritten und verfügen über hochprofitable Geschäftsmodelle. Von jedem Umsatz von 100 Dollar bleiben den Glorreichen Sieben stolze 28 Dollar Gewinn. Die höchste Marge hat Nvidia mit unglaublichen 53 %, die niedrigste Tesla und Amazon mit 9 %. Im Vergleich dazu konnten die Top-7-Unternehmen im Jahr 2000 „nur“ eine Marge von 16 % erwirtschaften. Die Spannweite reichte von 39 % bei Microsoft bis zu -1 % bei Nortel, das sogar Verluste auswies.Darüber hinaus haben die Glorreichen Sieben ihre „Kriegskasse“ gut gefüllt und sitzen auf Cash-Reserven in Höhe von 4,2 % ihrer Marktkapitalisierung. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 lag diese Quote bei „nur“ 1,7 %.

 

Ich weiß zwar nicht, wohin die Reise gehen wird, und irgendwie scheint es so, als ob vieles bereits in die aktuellen Kurse eingepreist ist. Wenn ich mir jedoch die Fakten genauer ansehe, habe ich mit den Glorreichen Sieben ein wesentlich besseres Gefühl als mit den Top-7-Unternehmen des Jahres 2000. Diese Unternehmen sind heute bereits hochprofitabel. Nichtsdestotrotz würde ich definitiv nicht alles auf eine Karte setzen. Vielleicht sollten wir auch einmal einen Blick auf den breiten Markt oder das Small-Cap-Segment werfen. Auch wenn ich mich ein wenig aus dem Fenster lehne: Ich würde manchem Unternehmen in diesen Bereichen ein sehr attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis zuschreiben.

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