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Wöchentlicher Börsenbrief #70

ibv@fh-joanneum.at
Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Vom Wandel der Giganten und einem weichen Landemanöver

Seit den späten 1990er-Jahren hat sich viel verändert, sowohl in meinem Leben als auch in der Finanzwelt. Eines bleibt jedoch konstant: mein Interesse an den Märkten und der eine oder andere belebende Espresso in den frühen Morgenstunden. Als ich damals in den Finanzbereich einstieg, sah das Bild der größten Unternehmen im S&P 500 noch ganz anders aus. Der Wandel ist erstaunlich, wenn wir die Giganten von 1990, 2000 und 2024 miteinander vergleichen.

 

In den 1990er Jahren dominierte IBM die Spitze, gefolgt von ExxonMobil, General Electric und Shell – Industriekonzerne, die das Gesicht der Weltwirtschaft prägten. Doch von den Top-10-Unternehmen jener Zeit hat es 2024 kein einziges mehr auf die Liste der größten S&P 500 Konzerne geschafft. Die Ausnahme: Microsoft, das seine Vormachtstellung auch zur Jahrtausendwende behaupten konnte. In den 2010er Jahren sahen wir dann noch ExxonMobil und Chevron, zwei mächtige Ölkonzerne, in den Top-5. Heute haben sie der nächsten Generation Platz gemacht – den Giganten der Digitalisierung.

 

Ein entscheidender Grund für diesen Wandel ist die Fokussierung auf Nachhaltigkeit. „Sustainable Finance“ ist salonfähig geworden und rückt immer stärker in den Mittelpunkt der Investmententscheidungen. Während Ölkonzerne früher eine zentrale Rolle spielten, stehen heute Unternehmen im Vordergrund, die auf die Zukunftstechnologien der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz setzen.

 

Die sogenannte „Magnificent Seven“ – Apple, Microsoft, Nvidia und andere – machen heute über 31 Prozent des S&P 500 Index aus. Ihre Marktstellung ist nicht nur gewachsen, sondern sie erwirtschaften auch beeindruckende Gewinne. Ihre Gewinnmargen lassen die Konzerne der frühen 2000er blass erscheinen. Zwar sind wir aktuell nicht unbedingt günstig bewertet, aber im Vergleich zu den überhitzten Bewertungen von 2000 stehen wir relativ betrachtet auf einem stabilen Fundament.

 

Auch das Szenario eines „Soft Landings“ erinnert an die Jahrtausendwende, als man oft Parallelen zu 1995 zog. Damals konnten die Notenbanken trotz einer Verdopplung der Zinsen eine hartnäckige Rezession verhindern. Heute ist die Weltwirtschaft anders aufgestellt, mit einem stärkeren Fokus auf den Dienstleistungssektor. Besonders spannend: Die enormen Investitionen in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz beginnen allmählich, ihre Früchte zu tragen. US-Unternehmen haben in diesen Bereichen einen Vorsprung vor ihren europäischen Konkurrenten, was sich auch in den Aktienmärkten widerspiegelt.

 

Was die Inflation betrifft, hat sich der Druck in den letzten Jahren deutlich abgeschwächt. Sowohl in Europa als auch in den USA ist sie rückläufig und auf einem Niveau, das den Konsumenten etwas Entlastung bietet. In nicht einmal einem Monat steht die US-Präsidentschaftswahl an. Ob wir dann schon wissen, wer die Nachfolge von Joe Biden antreten wird, wage ich aus heutiger Sicht zu bezweifeln. Allen Anschein nach steht uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump bevor. Und Unsicherheit führt oft zu stark schwankenden Finanzmärkten. Die alte Börsenweisheit „Politische Börsen haben kurze Beine“ hat sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder bewahrheitet und ist meiner Einschätzung nach auch 2024 noch gültig. Langfristig sind Anpassungsfähigkeit und Weitblick die entscheidenden Erfolgsfaktoren – sowohl für Unternehmen als auch für Investor:innen.

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