Von der Präsidentschaftswahl zum Zinsentscheid: Wall Street im Trump-Rausch
Jetzt ist es soweit. Die Wahl der Wahlen ist geschlagen. In den letzten Wochen blickte die Welt voller Spannung auf die USA. Im Vorfeld gingen viele von einem sehr knappen Wahlkampf aus. Diese Woche wurden wir eines Besseren belehrt: Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl gegen Kamala Harris klar für sich entschieden. Nach dem Demokraten Joe Biden zieht der Republikaner Trump mit einer Unterbrechung von vier Jahren erneut ins Weiße Haus ein. Während das Ergebnis in Europa teils skeptisch gesehen wird, feiert die Wall Street den klaren Ausgang. Im Fall eines Kopf-an-Kopf-Rennens hätte es Tage oder Wochen dauern können, bis Klarheit darüber herrscht, wer im kommenden Januar ins Weiße Haus einzieht. Und das wiederum wäre für die Kapitalmärkte vermutlich ein negatives Signal gewesen.
Als ich bei meinem morgendlichen Espresso-Ritual darüber nachdenke, fällt mir unweigerlich das alte Sprichwort ein: „Unsicherheit ist die Mutter aller Abenteuer“, das mir mein Großvater in schwierigen Situationen oft ans Herz legte. Das mag zwar für persönliche oder berufliche Herausforderungen zutreffen, hat aber an der Börse nichts verloren. Denn Unsicherheit am glitschigen Börsenparkett schürt Angst. Und Angst wiederum kann zu irrationalen Entscheidungen führen.
Auch wenn das Wahlergebnis in Europa mit einer gewissen Skepsis betrachtet wird, feiert die Wall Street euphorisch. Der breite S&P 500 verzeichnete am Tag nach der Präsidentschaftswahl sogar die beste Performance in seiner mittlerweile mehr als 100jährigen Geschichte. Ein eindrucksvoller Vertrauensbeweis der Wallstreet, meinen Sie nicht auch? Der Gedanke an eine erneute Präsidentschaft Trumps, in Kombination mit einer möglichen Mehrheit in beiden Häusern – Senat und Repräsentantenhaus – befeuerte die Kurse. Die Aktienmärkte erreichten ein neues All-Time-High, der US-Dollar erlebte den stärksten Tag seit 2022, und die Renditen schnellten in die Höhe. In seiner ersten Amtszeit konnte Donald Trump mit milliardenschweren Steuersenkungen und Deregulierung die Wall Street und viele Unternehmenslenker für sich gewinnen. Spannend fand ich auch, dass kleinere Unternehmen („Small-Caps“) noch eins draufsetzten und deutlich stärker zulegen konnten als der Gesamtmarkt.
Der Blick der Investoren wanderte rasch von der Präsidentschaftswahl zur nächsten Fed-Sitzung. US-Notenbank-Chef Jerome Powell hat geliefert und die Leitzinsen nach dem großen Schritt von 0,50 % im November wie erwartet erneut um 0,25 % gesenkt.
Als Börsianer habe ich mir angewöhnt, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Insofern möchte ich trotz der aktuell vorherrschenden Euphorie auch darauf hinweisen, dass die Risikoprämien nach wie vor sehr niedrig sind. In Anbetracht möglicher Handelskonflikte, beispielsweise zwischen den USA und China, der historisch hohen Staatsverschuldung oder weiterer geopolitischer Unsicherheiten gibt es Punkte, die noch zum Party-Crasher werden könnten. Bleibt die Hoffnung, dass sich die Märkte auch in Trumps zweiter Amtszeit so positiv entwickeln wie in seiner ersten. In den ersten vier Jahren stieg der Dow Jones um mehr als 50 %. Ich bin schon gespannt. Wenn wir in vier Jahren aber auf eine ähnliche Performance zurückblicken können, wäre ich durchaus zufrieden.