Im Rahmen von LETHE erarbeiten 15 Partnerorganisationen aus neun EU-Ländern ein personalisiertes Vorhersage- und Interventionsmodell, das bei älteren Personen erste Anzeichen für eine kognitive Verschlechterung und damit zusammenhängende Risikofaktoren für Demenz identifizieren soll. Sten Hanke, LETHE-Projektleiter am Institut eHealth der FH JOANNEUM: „In LETHE sollen klinische Daten, digitale Interventionsdaten und auch Medikationsdaten dafür genutzt werden, um auf individueller Ebene ein Demenzrisiko zu ermitteln beziehungsweise auch die fortschreitende Entwicklung vorherzusagen. Diese mittels Machine-Learning-Methoden trainierten Modelle sollen dann eine gezielte, schnelle und digitale Intervention ermöglichen, um präventiv dem Fortschreiten der Krankheit entgegenzuwirken beziehungsweise erste Symptome hinauszuzögern.“
Vorhersagemodell entwickelt und Pilotstudie an MedUni Wien gestartet
Basierend auf der Auswertung von 12.000 bereits vorhandenen Datensätzen, entwickelte das Institut eHealth ein datenbasiertes Vorhersagemodell. Sten Hanke: „Mit diesem Modell wird im Rahmen einer Pilotstudie das Risikoprofil für eine spätere Demenzerkrankung berechnet: Die Studienteilnehmer:innen erhalten in den LETHE-Partnerkliniken ihr persönliches visualisiertes Risikoprofil für eine mögliche spätere Demenzerkrankung, das mittels künstlicher Intelligenz berechnet wurde. Das Vorhersagemodell basiert auf verschiedenen klinischen Faktoren und Lebensstilfaktoren wie Ernährung oder regelmäßige Bewegung, die sich aus der Big-Data-Analyse ergeben haben.“ Das Modell wird seit Januar 2023 im Rahmen einer klinischen Pilotstudie an vier europäischen Kliniken mit insgesamt 160 Personen getestet. In Österreich führt die Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien die Studie mit 40 Patient:innen durch. Helena Untersteiner, Mitarbeiterin der Medizinischen Universität Wien: „Das LETHE Projekt erfreut sich bei der Zielpopulation großer Beliebtheit. Viele Personen sind besorgt im hohen Alter an Demenz zu erkranken. Daher ist es für viele ein Anliegen, durch Verbesserung ihres Lebensstils präventiv tätig zu werden und die Demenzforschung zu unterstützen.“ Die Studie läuft über zwei Jahre und nach Studienende wird ausgewertet, ob die mittels Machine Learning berechneten Vorhersagen zutreffend sind. Sten Hanke: „Beim Vorhersagemodell sehen wir, welche Lebensstilkategorien zu einem erhöhten Risiko beitragen. Der Lebensstil ist ein modifizierbarer Faktor und wir geben den Studienteilnehmer:innen zu Beginn und während der Studie natürlich Anreize, negative Gewohnheiten zu ändern.“
LETHE-App und Clinical Trial Management System des Instituts eHealth
Studierende und Forschende des Instituts eHealth der FH JOANNEUM entwickelten ein Clinical Trial Management System sowie eine exklusive App für die Pilotstudie, um unter anderem Einfluss auf die Lebensstile der Patient:innen nehmen zu können. Sten Hanke: „Die App-Entwicklung dauerte rund ein Jahr und war ein Gemeinschaftsprojekt. Studierende von „Informationsdesign“ der FH JOANNEUM entwarfen die App und eHealth-Studierende übernahmen die Implementierung. Wir verankern EU-Projekte wie LETHE an der FH JOANNEUM sehr stark in der Lehre und so sind aktuell mehrere Bachelor- und Masterarbeiten an solche Forschungsvorhaben angedockt.“
Weltweit einzigartige Pilotstudie
Die LETHE-App funktioniert in Kombination mit einem Fitbit-Wearable, einem Plastikarmband, das bestimmte Daten, beispielsweise zur Schlafqualität der Studienteilnehmer:innen, aufzeichnet. Über die App bekommen diese virtuelle Coachings, Ernährungs- und Übungspläne, aber auch motivierende Messages des begleitenden Klinikpersonals. Die App dient zudem dem Sammeln von Daten wie etwa zum Rauchverhalten oder dem Alkoholkonsum. Sten Hanke betont, dass die Studie hybrid angelegt ist: „Die Studienteilnehmer:innen kommen regelmäßig zu Untersuchungen in die Kliniken und es gibt persönliche Treffen wie beispielsweise gemeinsame Workshops über Ernährung.“ Über einen Zeitraum von zwei Jahren werden so digitale und klinische Verhaltensdaten gesammelt. Sten Hanke: „Weltweit gibt es eine so lang angesetzte hybride digitale Interventionsstudie bis dato nicht. Wir haben uns für zwei Jahre entschieden, weil Demenz eine langsam fortschreitende Krankheit ist.“
Über LETHE
Das mit sechs Millionen Euro dotierte Horizon-2020-Projekt LETHE startete im Jänner 2021 und läuft über vier Jahre. Im Projekt kooperieren insgesamt fünfzehn internationale Partner. Österreich ist mit der Projektkoordination durch die FH JOANNEUM und mit der Leitung der klinischen Studie durch die Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien an der Idee und der Umsetzung dieses Projekts maßgeblich beteiligt. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) fungiert als Nationale Kontaktstelle (National Contact Point, NCP) für die europäischen Forschungs- und Innovationsprogramme wie Horizon 2020.