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Forschung

Forschungsvorhaben

Frühkindliche Adipositasforschung

Wie hängt die frühkindliche Ernährung mit Adipositas zusammen? Mit dieser Kernfrage beschäftigt sich das Josef Ressel Zentrum für die Erforschung von Prädispositionen der perinatalen metabolischen Programmierung von Adipositas. Das am Institut Hebammenwesen der FH JOANNEUM angesiedelte JR-Zentrum wird von der Christian Doppler Forschungsgesellschaft als Exzellenzprogramm für fünf Jahre unterstützt. Finanziert wird das Forschungszentrum vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) und vom Unternehmenspartner Nutricia Milupa Österreich.

Frühkindliche Adipositasforschung

Im Zuge eines inhaltlich umfangreichen Projekts wird die Entstehung von Adipositas erforscht. Konkret wird innerhalb der ersten 16 Lebenswochen von Neugeborenen untersucht, ob ein Unterschied im aufgenommenen Volumen zwischen gestillten und mit Formula ernährten Säuglingen besteht. Das Ernährungsverhalten in diesem Zeitraum könnte bereits in frühen Lebenswochen einen nicht mehr umkehrbaren metabolischen Pfad in Richtung der Entwicklung von Fettleibigkeit prägen. In der nachfolgenden Untersuchungsperiode bis zum zweiten Lebensjahr der Kinder werden weitere anthropometrische, biophysikalische und biochemische beziehungsweise klinische Parameter untersucht, die im Zusammenhang mit der Entstehung von Fettleibigkeit stehen.

Der hohe Innovationsgrad des Forschungsvorhabens liegt im Fokus auf die allererste Lebensphase von der Schwangerschaft bis zum zweiten Lebensjahr, in der die Mutter-Kind-Einheit multidimensional betrachtet wird. Daher erfolgt auch der thematische Zugang stark interdisziplinär: Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hebammenwesen, Medizin, Pflege, Ernährung, Psychologie, Bioanalytik und Informationstechnologie arbeiten mit technologisch zeitgemäß ausgestatteter Infrastruktur an einschlägigen Fragestellungen rund um die Forschungsthematik.

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Forschungsschwerpunkte. Forschungsziele.

Im Josef Ressel Zentrum für die Erforschung von Prädispositionen der perinatalen metabolischen Programmierung von Adipositas werden mögliche Vorhersagevariablen für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas multidimensional erforscht. Im Vordergrund steht dabei die Untersuchung des Einflusses der Qualität und der Menge der aufgenommenen Nahrung auf die Prägung von Übergewicht in den ersten 1000 Tagen. Als Probandinnen und Probanden werden normalgewichtige, gesunde Frauen und deren normalgewichtige, gesunde Kinder gesucht. Voll gestillte Kinder werden mit nicht gestillten – ausschließlich mit Formula ernährten – Kindern verglichen.

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Foto: FH JOANNEUM

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Foto: FH JOANNEUM / David Jablonski

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Foto: FH JOANNEUM

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Foto: FH JOANNEUM / David Jablonski

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Foto: FH JOANNEUM / Maximilian Thum

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Foto: FH JOANNEUM / Manfred Terler

Die ersten 1000 Tage.

Messung von Sättigungszeichen

Eine der Hypothesen zur Erklärung der metabolischen Programmierung besagt, dass die prä- und postnatale Überfütterung eine maßgebliche Rolle spielt. Allerdings wird der Begriff „Überfütterung“ weder qualitativ noch quantitativ definiert. Überfütterung kann beispielsweise im Kontext der Trinkmenge, der Inhaltsstoffe oder im Kontext der Sättigungswahrnehmung betrachtet werden. Eine genaue Beobachtung des Trinkvolumens von gestillten und mit Formula ernährten Kindern hinsichtlich Menge und Frequenz der Mahlzeiten kann – unter anderen Einflussgrößen – Aufschluss darüber geben, wie sich dies auf den Wachstumsverlauf und die damit verbundene Körperfettmasse auswirkt.

Kinder nach Fütterung aus der Flasche, unabhängig ob dies Formula oder Muttermilch ist, haben ein größeres Risiko, später übergewichtig zu werden. Aufgezwungenes Trinkvolumen spielt dabei eine gewichtige Rolle, wobei die Nichtbeachtung von Sättigungssignalen der Säuglinge den Effekt noch verstärkt. Daher ist ein Ziel des Projekts, eindeutige Sättigungszeichen anhand von Saugmuster, Puls, Sauerstoffsättigung sowie Muskeltonus zu identifizieren, um diese den Müttern nutzbar zu machen. Dadurch soll Überfütterung vermieden werden kann.

Erfassung des Trinkvolumens

Das aufgenommene Trinkvolumen und die damit verbundene Aufnahme von Makro- und Mikronährstoffen ist relevant. Denn eine übermäßige Zufuhr, insbesondere der Makronährstoffe, führt zu einem Überangebot an Nährstoffen und damit verknüpft zu einer Überversorgung des sich entwickelnden Kindes. Somit ist die quantitative Erfassung des aufgenommenen Trinkvolumens ein weiteres wichtiges Ziel des Forschungsprojekts.

Verfolgung des Wachstumsverlaufs

Außerdem ist es ein Ziel des Forschungsvorhabens, das Wachstum der Kinder in den ersten zwei Lebensjahren zu verfolgen, um daraus eindeutige Indikatoren zur Entwicklung von Übergewicht in Abhängigkeit vom Fütterungsstil abzuleiten. Spezieller Fokus wird dabei auf den Verlauf der Zunahme der Körperfettmasse gelegt, da Fettzellen des Fettgewebes als Hormondrüsen wirken, die die Entwicklung des Organismus wesentlich beeinflussen.

Eine durch Überernährung in den ersten 16 Lebenswochen induzierte Fehlprogrammierung der Hormonachsen spielt eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Gesundheit eines Menschen. Der biologische Pfad zu Adipositas und damit verbundenen sekundären subakuten Erkrankungen scheint damit geebnet zu sein, wenn sich das Fettgewebe aufgrund negativer Einflussfaktoren untypisch entwickelt.

Identifizierung von molekularen Vorgängen

Zur Identifizierung von Vorgängen auf physiologischer beziehungsweise molekularer Ebene werden relevante Biomarker in diversen biologischen Proben von Mutter und Kind bestimmt. Dazu werden sowohl Hormone des Energiehaushaltes und der Stressbalance als auch Sättigungshormone und Entzündungsparameter gemessen. Zudem wird das Mikrobiom erfasst, da die Zusammensetzung der Darmflora wesentlich die Entwicklung eines Menschen beeinflusst.

Die Ergebnisse der anthropometrischen Messdaten – wie BMI, Körperfettmasse sowie Wachstumstrajektorien – und der Ernährungsfragebögen werden in Beziehung zu den molekularen Faktoren gesetzt. So sollen mögliche Korrelationen in Abhängigkeit der Fütterungsstile entdeckt und damit molekulare Vorgänge bei der Entstehung von Adipositas identifiziert werden.

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Innovation der Forschung.

Zurzeit gibt es keine evidenzgestützten Daten über die tatsächliche Trinkmenge und das Fütterungsverhalten von mit Formula ernährten im Vergleich zu gestillten Babys. Innovativ ist die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Trinkvolumen und Wachstumsgeschwindigkeit des Säuglings in Verbindung mit der Analyse der Körperzusammensetzung – des Fettanteils – sowie der Analyse der Makronährstoffe und des Energiegehalts der Muttermilch. Auch das longitudinale Design des Forschungsvorhabens ist neuartig. Es werden am errechneten Geburtstermin geborene gesunde Kinder betrachtet.

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Relevanz der Forschung.

Die weltweite Prävalenz von Adipositas hat sich seit den 1980er Jahren laut Studien der Weltgesundheitsorganisation verdreifacht (WHO, 2013). In Österreich ist sie beispielsweise von 2008 bis 2012 bei Mädchen von zehn auf 16 Prozent und bei Jungen von zwölf auf 17 Prozent gestiegen (BMG, 2012). Übergewicht als Risikofaktor ebnet den Pfad zu Adipositas, die zu zahlreichen sekundären schwerwiegenden Erkrankungen führt. Fettleibigkeit ist heutzutage der fünftgrößte Risikofaktor für einen vorzeitigen Tod. Eine effektive Präventionsstrategie ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Bekämpfung dieser Entwicklung. Neue Strategien werden vorangetrieben, wie etwa die Entwicklung und Implementierung von Gesundheits- und Betreuungsprogrammen während und nach der Schwangerschaft (WHO, 2016).

Die Entstehung von Adipositas ist multifaktoriell und keineswegs vollständig erforscht. Eine wichtige Rolle spielt allerdings die Prägung des Stoffwechsels durch frühkindliche Ernährung. Sowohl die Über- als auch die Unterernährung in der fetalen Periode – gemessen an niedrigem und hohem Geburtsgewicht – und in der frühen Kindheit tragen zur Entstehung von Adipositas und Typ 2 Diabetes bei.

In der Phase der rasanten Entwicklung und Differenzierung der Organe vor und nach der Geburt können einwirkende Stoffwechsel- und andere Faktoren langfristige Auswirkungen auf die Funktion des Organismus im späteren Lebensalter ausüben. Für dieses Phänomen werden die Begriffe „Perinatale metabolische Programmierung“ beziehungsweise „Metabolische Prägung“ verwendet. Die ersten 1000 Tage umfassen die Periode von der Konzeption bis zum zweiten Lebensjahr. Diese Zeitspanne wird als sensible Phase in Bezug auf die Entwicklung des Metabolismus angesehen.

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