Ein Auslandssemester in Thailand hat Kerstin Kaufmann verbracht.

Luxus im Rucksack

Kerstin Kaufmann,

Meine größte Angst war es schon immer, im Leben etwas zu verpassen. Niemals möchte ich mich später fragen müssen, ob ich denn wohl genug erlebt habe, ob ich mehr daraus machen hätte können. Ich möchte mein Leben genießen. Genau dieses ständige Streben nach Abenteuer, Herausforderungen und Genuss hat mich dazu bewogen, für mein Praktikum ins Ausland zu gehen. Genauer gesagt nach Thailand. Im Land des Lächelns würde ich – und da war ich mir sicher – die Herausforderungen gestellt und die schönen Eindrücke zu sehen bekommen, die ich mir erträumte.

Auch, wenn das kein leichter Schritt war, packte ich meine wichtigsten Besitztümer in einen Rucksack und ließ – nach unendlich langem Warten auf ein Visum und geschätzten tausend Impfungen – Freund, Freunde und Familie hinter mir und stieg ins Flugzeug. Mein Ziel war es, mit möglichst leichtem Gepäck zu reisen, eine Art „Keep-it-simple-Detox“ von all dem Überfluss. Der Abschied schmerzte kurz, doch die Abschiedstränen waren schnell getrocknet und ich stürzte mich voller Euphorie ins Abenteuer. Ungelogen waren auf dem Flug auch Ängste und Zweifel meine Begleiter, jedoch waren die Abenteuerlust, die Neugierde, der stetige Wunsch, etwas Neues zu entdecken immer stärker.

Ihre Gitarre hat Kerstin Kaufmann auch nach Thailand mitgenommen.
Foto: Kerstin Kaufmann
Die Gitarre darf bei keiner Reise fehlen.

Big City Bangkok

Angekommen in Bangkok, nach 16-stündiger Reise durch die „Nacht“ und ohne Schlaf, lernte ich gleich meine erste Lektion: Vertraue niemals den Taxifahrern in Südostasien. Der nächste Tempel ist nicht gleich um die Ecke von deinem Hotel und dorthin zu kommen kostet dich höchstwahrscheinlich ein Vermögen. Abgesehen davon war Bangkok ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Fünfspuriges Verkehrschaos auf einer dreispurigen Straße, die meisten Gebäude hatten ihre beste Zeit schon lange hinter sich. Ich sah Schulen mit Stacheldrahtzäunen und Wachmännern. Alle fünfzig Meter war ein üppiger, goldener Altar mit Bildern der königlichen Familie in der Mitte der Straße aufgebaut. Ich glaubte zuvor nicht wirklich, dass es so etwas gibt, aber ich hatte einen Kulturschock, eindeutig. Doch jetzt war es zu spät, also beschloss ich, mich einfach auf das neue Kapitel in meinem Leben einzulassen. Was blieb mir auch anderes übrig? Von jetzt an entschied ich mich, nichts mehr zu erwarten und mich einfach überraschen zu lassen.

Warmes Wasser? Luxus.

Und wie ich am nächsten Tag überrascht war, als ich nach Bangkok mein eigentliches Ziel, Koh Kood, erreicht habe. Eine einsame Insel im Golf von Thailand, auf der sich nur eine Hand voll Luxusresorts und Backpacking-Hostels befanden. Einsam ist man hier eigentlich nie. Von meinem ersten Tag an war ich auf einmal fester Bestandteil im Leben so mancher Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile Freundinnen und Freunde, von mir. Es war erstaunlich zu sehen, mit welcher Gastfreundschaft einem Menschen begegnen können, auch wenn sie bei Weitem nicht den Luxus geben können, den wir genießen. Und ich rede hier nicht von richtigem Luxus. Das fängt bei warmem Wasser an und ich könnte noch so viele weitere Dinge aufzählen, die so manche von uns schockieren würden. Doch nichts desto trotz oder gerade deshalb öffnete mir mein Leben in Thailand nicht nur die Augen, sondern auch mein Herz.

Aus Kolleginnen und Kollegen wurden schnell Freundinnen und Freunde.
Foto: Kerstin Kaufmann
Aus Kolleginnen und Kollegen wurden schnell Freundinnen und Freunde.

Ich lebe mein Abenteuer

Um das Leben hier zu genießen, um so viele „erste Male“ zu erleben, dafür brauch(t)e ich keinen Luxus. Das erste Mal im türkisen Meer mit den buntesten aller Fische tauchen, das erste Mal auf der „falschen Seite“ Motorrad fahren, das erste Mal am Strand schlafen, das erste Mal „thai-spicy food“ essen und fast an der Schärfe ersticken, das erste Mal einen pinken Sonnenuntergang über dem indischen Ozean oder durch ein Teleskop den orangen Mond, Saturn, Jupiter, Mars und die Milchstraße sehen, das erste Mal die Wäsche mit der Hand waschen und merken, wie viel Arbeit eigentlich hinter ganz alltäglichen Dingen steckt, das erste Mal erleben, wie man einfach lebt. Ich werde mich nie mehr fragen, ob ich wohl genug aus meinem Leben mache, denn jetzt weiß ich, solange man glücklich ist, hat man schon das meiste aus seinem Leben heraus geholt. Mehr braucht es nicht. Und ich werde mich auch nicht mehr von Grenzen einengen lassen. Österreich ist wunderschön, doch es gibt noch so viel mehr, das unser Planet zu bieten hat.

Die Autorin machte Yoga - mit ganz besonderer Aussicht.
Foto: Kerstin Kaufmann
Yoga mit Aussicht.

Welt als Zuhause

Ich habe für mich festgestellt, ich möchte gar nicht unbedingt in dem Land bleiben, in dem ich rein zufällig geboren wurde, wenn ich doch die ganze Welt mein Zuhause nennen kann. Natürlich gibt es eine Menge an praktischen Gründen, die dafür sprechen, in seiner „Heimat“ zu bleiben. Warum aber seine Heimat nicht ausdehnen? Wer definiert, was meine Heimat ist?

Viele kleine Entscheidungen tragen enorm zum Verlauf eines Lebens bei. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens war es, meine Komfortzone und somit meine gewohnte Umgebung, meine Heimat, zu verlassen und mich auf neue Abenteuer in die weite Welt zu begeben. Man kann nur wachsen, indem man auf neuen, unerforschten, vielleicht etwas beängstigenden Wegen wandert. Auch, wenn ich vielleicht diese traditionell als sehr wichtig erachtete Ortsverbundenheit nicht mehr so ausgeprägt empfinde, habe ich schon jetzt unglaublich viel Wissen, Erfahrung, Sensibilität, Stärke erworben, indem ich hier in Thailand einfach jeden Tag – sei es in der Arbeit oder privat – Situationen und Herausforderungen ausgesetzt bin, die ich in Österreich vielleicht niemals bewältigen hätte müssen. Ich habe Freunde fürs Leben gewonnen und Momente erlebt, die mir für immer in Erinnerung bleiben werden, ich habe eine neue Heimat gewonnen.

Die Strände Thailands haben es Kerstin Kaufmann besonders angetan.
Foto: Kerstin Kaufmann
Erinnerungen, die bleiben.

Die Fakten zu meinem Trip

Das war ein kleiner emotionaler Einblick. Hier kommen die Hardfacts:

  • Ich studiere „Gesundheitsmanagement im Tourismus“ an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg.
  • Ich mache gerade vier Monate Praktikum im Six Senses Spa at Soneva Kiri auf Koh Kood, einer der am wenigsten touristisch erschlossenen Inseln Thailands.
  • Arbeitszeit: Fünf Tage die Woche von Sonnenauf- bis –untergang.
  • Das Visum war schwer zu bekommen.